Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde das Solinger Volksblatt verboten und Paul Kircheis vom 11. Juli bis 1. August 1933 in „Schutzhaft“ genommen. Nach einer Phase der Arbeitslosigkeit fand er eine Stelle als Handlungsreisender bei einer Seifenfirma. Im Sommer 1934 besuchte ihn der im sozialdemokratischen Widerstand aktive Ernst Gnoss und übergab ihm eine Ausgabe der illegalen Schrift „Sozialistische Aktion“. Bis Ende des Jahres erhielt Kircheis von anderen Genossen noch weitere Ausgaben, die er mit je 20 Pfennig bezahlte. Als das sozialdemokratische Widerstandsnetzwerk 1935 von der Gestapo enttarnt wurde, wurde auch Kircheis am 9. Oktober festgenommen.3 Er gestand, die „Sozialistische Aktion“ erhalten zu haben. Gleichzeitig betonte er aber, den „Sauherdenton“4 kritisiert und die Ausgaben nicht weiter verbreitet, sondern nach dem Lesen verbrannt zu haben. Letztendlich habe er die verbotenen Schriften nicht mehr bezogen.5 Da Kircheis „vom Inhalt der Schriften abgerückt“6 sei, wurde er am 30. April 1936 vor dem Oberlandesgericht in Hamm „lediglich“ wegen Beihilfe zum Hochverrat zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Die Polizei- und Untersuchungshaft, die er in Wuppertal, Hamm und Dortmund verbracht hatte, wurde ihm angerechnet. Er verbüßte die Strafe im Zentralgefängnis Bochum.7
Kircheis zeigte sich im Gefängnis reuig und kooperationsbereit, so dass der Bochumer Strafanstaltsdirektor, das zuständige Gericht sowie die Gestapo keine Bedenken gegen eine dreimonatige vorzeitige Haftentlassung äußerten. Sein Gnadenerweis wurde dennoch abgelehnt. Da jedoch seine Frau ernsthaft physisch wie psychisch erkrankte und im Krankenhaus behandelt werden musste, so dass die elfjährige Tochter bei einer Tante unterkommen musste, wurde er am 23. Dezember 1936 doch vor Ende der regulären Haftzeit entlassen. Die fehlenden 17 Tage Gefängnis wurden in eine dreijährige Bewährungsfrist umgewandelt. Kircheis litt infolge der Haft an chronischen Herzbeschwerden und Schlafstörungen. In den anschließenden Jahren führte er ein zurückgezogenes Leben. Er trat als einfaches Mitglied der Deutschen Arbeitsfront (DAF) sowie der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) bei. Seit 1937 war er in mehreren Firmen als Angestellter und Vertreter tätig und galt sowohl bei Kollegen wie Vorgesetzen als fleißig und beliebt. Aufgrund seines regime-konformen Verhaltens wurde ihm schließlich der nicht verbüßte Teil seiner Gefängnisstrafe erlassen. Am 14. Oktober 1942 wurde er mit 47 Jahren zur Wehrmacht eingezogen. Er wurde 1944 in Russland verwundet und geriet in russische Gefangenschaft.8
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Paul Kircheis Solinger Lokalredakteur der Düsseldorfer SPD-Lizenzzeitung „Rhein-Echo“. Zudem war er von Oktober bis Dezember 1946 Mitglied des ernannten Landtags von Nordrhein-Westfalen und dort stellvertretendes Mitglied des Kulturausschusses. Darüber hinaus war er Stadtverordneter sowie Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat der Stadt Solingen. 1952 wurde er mit den Stimmen der SPD und KPD und gegen die Stimmen der CDU und FDP zum Beigeordneten für das Wohlfahrtsdezernat der Stadt Solingen gewählt. Zu dieser Zeit war das Wohlfahrtsdezernat u.a. für die Betreuung von 41.000 Flüchtlingen zuständig. Paul Kircheis starb am 11. November 1982 in Städtischen Krankenhaus in Solingen. Die Paul-Kircheis-Straße in Solingen trägt seinen Namen.9