15. Mai 2024 - Es passiert im Umfeld von Parteiveranstaltungen, beim Plakatekleben, beim Wahlkampf in den Fußgängerzonen und auch, wenn
sie privat unterwegs sind: Politikerinnen und Politiker werden beleidigt, beschimpft, bedroht und körperlich attackiert. Der Landtag hat in einer
Aktuellen Stunde über die Zunahme der Angriffe diskutiert.
Zwei Anträge lagen der Aktuellen Stunde zugrunde
- ein gemeinsamer der Fraktionen von
CDU, SPD, Grünen und FDP (Drs. 18/9227) sowie
ein weiterer von der AfD-Fraktion (Drs. 18/9228).
CDU, SPD, Grüne und FDP schreiben von
einer erschreckenden Entwicklung: "Wir können
nicht zulassen, dass Menschen, die sich für
unsere Demokratie einsetzen, zur Zielscheibe
werden." Es handele sich nicht nur um Angriffe
gegen die Person, sondern auch gegen die freiheitliche
demokratische Grundordnung. "Als
Demokratinnen und Demokraten müssen wir
die Täterinnen und Täter klar benennen und
als Staat unmissverständliche Antworten geben.
Wir werden Gewalt in keiner Form dulden", so
die Fraktionen.
"Angriffe auf Politiker und Parteivertreter,
gleichgültig ob sie verbal oder körperlich erfolgen,
stellen eine ernsthafte Bedrohung unserer
demokratischen Grundordnung dar und sind
uneingeschränkt zu verurteilen", heißt es im
Antrag der AfD-Fraktion. Die "Sicherstellung
eines gewaltfreien und respektvollen Wahlkampfes"
erfordere eine "klare und unmissverständliche
Stellungnahme unserer Legislative".
Gewalt dürfe niemals ein Instrument der
politischen Auseinandersetzung sein, sagte
CDU-Fraktionschef Thorsten Schick. Das sei der
"Grundkonsens aller Demokratinnen und Demokraten".
Sie könnten immer miteinander
sprechen. In der Sache dürfe es auch einmal
lauter werden. Eines aber müsse stets klar sein:
"Niemals dürfen die Fäuste fliegen." Gewalt gegen
Politikerinnen und Politiker sei jedoch nur
die "Spitze des Eisbergs", sagte Schick. Für Polizei und Rettungsdienste, Lehrkräfte, Feuerwehren
und andere Berufsgruppen sei sie "trauriger
Alltag".
"Der neue Terror richtet sich gegen die
Basis unserer Demokratie", sagte SPD-Fraktionschef
Jochen Ott. Das Vertrauen in den Schutz
des Staates solle durch Gewalt zerstört werden.
Es sei der "Versuch, durch willkürlich erscheinende
Gewalt ein Klima der Angst und der
Unsicherheit zu verbreiten". Es sei der "Versuch,
Menschen gefügig zu machen, sie einzuschüchtern
und zu nötigen". Ott: "Das ist übrigens die
UN-Definition von Terror." Der Rechtsstaat
müsse seine Macht zeigen. Polizei und Justiz
seien aber "nur Teil der Lösung".
"Menschen verunsichert"
Grünen-Fraktionschefin Wibke Brems verwies auf
zahlreiche Krisen wie die Corona-Pandemie, den
Krieg in der Ukraine, den Nahostkonflikt oder
die Klimakrise. Dies habe viele Menschen verunsichert.
Und diese Verunsicherung werde u. a.
von Rechtsextremen und Demagogen genutzt,
um Hass und Hetze zu säen. Es sei die Verantwortung
der Demokratinnen und Demokraten,
diese Verunsicherung ernst zu nehmen und den
Menschen wieder mehr Zuversicht zu geben.
Brems: "Gewalt ist kein Mittel der politischen
Auseinandersetzung, niemals und nirgendwo."
FDP-Fraktionschef Henning Höne erinnerte
an den 75. Geburtstag des Grundgesetzes in
diesem Jahr, das die Basis für das Zusammenleben
in Demokratie, Vielfalt und Freiheit sei.
Der Geist des Grundgesetzes sei nicht verhandelbar. Die Demokratie sei aber unter Druck
geraten. Gewalttaten müssten alle Demokratinnen
und Demokraten umtreiben, betonte Höne
und verwies auch auf Angriffe gegen Rettungskräfte,
Feuerwehr, Polizistinnen und Polizisten,
Lehrkräfte sowie Journalistinnen und Journalisten.
Dies sei eine gefährliche Entwicklung,
die die Demokratie auszuhöhlen drohe.
Markus Wagner (AfD) kritisierte eine "Hierarchisierung
der Täter" wie auch der Opfer. Er
zählte mehrere Vorfälle auf und kommentierte:
"Kein Aufschrei, keine Demos." Erst nach
einem Angriff durch einen Täter, der als "vermutlich
rechts" einzustufen sei, habe sich dies
geändert. "Schwere Gewalttaten, egal, wer sie
begeht, und ganz gleich, wer sie erleidet, sollten
immer hinter Gittern enden", forderte er. Politikerinnen
und Politiker seien nicht als "Opfer
der Extraklasse" zu behandeln. Alle Menschen
müssten sich auf den Rechtsstaat verlassen können.
"Mensch bleiben und im Gegenüber immer
den Menschen sehen" - darum gehe es,
betonte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU).
Das sei der Kern des Zusammenlebens, der
Demokratie und des Rechtsstaats. Wo der
Mensch auf einzelne Eigenschaften, seine politische
Meinung oder seine Uniform reduziert
werde, sei der Weg zu Ablehnung, Beleidigung
und Gewalt nicht mehr weit. Jeder Angriff sei
ein Angriff auf das friedliche Zusammenleben
und die Demokratie: "Demokratie und Gewalt
widersprechen einander fundamental." "Lasst
uns streiten um den richtigen Weg", sagte Wüst,
"aber immer als Menschen."
zab, wib, sow
Systematik: 1070 Politische Kräfte
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