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  • Porträt der Woche: Horst Westkämper (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 4 - 20.04.2005

    Ein Jahr nachdem die NRW-CDU in Nordrhein-Westfalen in die Opposition geriet, ist Horst Westkämper der Union beigetreten. Er hat der Partei die Treue gehalten, aktiv in den verschiedensten Positionen als Christdemokrat mitgearbeitet, ist zwei Mal als Nachrücker in das Landesparlament eingezogen und überzeugt, dass der Union im Mai 2005 in Nordrhein-Westfalen der Sprung an die Macht gelingen wird und er selber von Anfang an als Parlamentarier dabei sein wird. Das notwendige Rüstzeug dazu hat er bereits. Die CDU in seiner Heimatstadt Solingen hat ihn schon im März vergangenen Jahres als Kandidaten nominiert. Westkämper: "Nach den stabilen Umfrageergebnissen bin ich überzeugt, dass die CDU es diesmal schaffen wird, sofern nicht eine Katastrophe dazwischen kommt." In den verbleibenden Monaten bis zur Wahl tut der CDU-Abgeordnete alles in seinen Kräften stehende, um die Bürger von der Notwendigkeit eines Machtwechsels in Düsseldorf zu überzeugen. In seiner Ausschussarbeit engagiert sich Westkämper besonders in der Verkehrspolitik. Als ordentlichem Mitglied im Verkehrsausschuss geht es ihm besonders um die Verbesserung der Pünktlichkeit der Deutschen Bahn, aber auch um eine Stärkung der Rechte der Bahnkunden.
    In der verkehrspolitischen Debatte des Landtags am 9. April 2004 erklärte er unter Zustimmung von Parlamentskollegen: "Fahrgästen, im Fernverkehr bei Verspätungen einen Teil des Fahrpreises zu erstatten, und dies in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verankern - was seit dem 1. Oktober 2003 als `Pünktlichkeitsgarantie. verkauft wird - ist nicht mehr als ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung. Was wir aber dringend brauchen, ist ein gesetzlich untermauerter Anspruch statt Kulanz - und das nicht nur im Fernverkehr, sondern auch für den Regionalverkehr".
    Anbindung
    Während Westkämper bei der Bahn ein gewisses Einlenken zu spüren meint, musste der Christdemokrat sich bei seinem zweiten zentralen Thema, nämlich der Anbindung der A 3 an Solingen, geschlagen geben. Sein langjähriger Kampf für dieses Vorhaben, dass seiner Meinung nach für die Infrastruktur Solingens notwendig ist, stieß bei den Grünen vor Ort auf Widerstand. Da die grüne Fraktionschefin Sylvia Löhrmann in Solingen Gegenspielerin des CDU-Abgeordneten ist, konnte alle politische Erörterung nichts bewirken. Sowohl auf Landesebene wie auch im Bund schmetterte Rot-Grün alle Pläne zum Bau der Autobahnanbindung ab.
    Engagement zeigt Westkämper, der zusammen mit Ehefrau Eveline sieben Kinder groß zieht, auch im Ausschuss für Frauenpolitik. Hier beschäftigt ihn die Bekämpfung der niedrigen Frauenerwerbsquote in NRW sowie die Umsetzung des Konzepts des Gender-Mainstreaming. Gleichzeitig arbeitet er als stellvertretendes Mitglied im Rechts- und Wirtschaftsausschuss mit. Obwohl sich der Christdemokrat vornehmlich als Vertreter der Stadt Solingen versteht, wo er seit 39 Jahren lebt, ist er doch gebürtiger Sauerländer. Horst Westkämper wurde am 29. Februar 1936 in Letmathe geboren. Nach einer Ausbildung als Industriekaufmann 1956 absolvierte er ein Fortbildungsstudium als Krankenkassenbetriebswirt. Während dieser Zeit arbeitete er bei verschiedenen Krankenkassen. Von 1995 bis 2002 war er dann bei der IKK Solingen. Seit März 2002 ist er selbständiger Unternehmensberater.
    Westkämper übernahm zahlreiche politische Ämter. Mitglied des Rates der Stadt Solingen ist er seit 1969. Von 1988 bis 1994 war er Fraktionsvorsitzender. Seit 1999 ist er Mitglied in der Landschaftsversammlung Rheinland. Landtagsabgeordneter war er schon einmal kurz vom 1. Oktober 1999 bis zum Juni 2000.
    Angesichts der vielen Verpflichtungen hat Horst Westkämper für Hobbys wenig Zeit. Für Bewegung sorgen zwei Hunde: "Meistens schaffe ich es, mit beiden täglich eine Stunde zu gehen. Das ist für mich wohl noch besser als für die Hunde."
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN00400

  • Porträt der Woche: Manfred Hemmer (SPD).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 3 - 16.03.2005

    Manfred Hemmer gehört zu den vertrauenswürdigen Menschen, denen man getrost einen Gebrauchtwagen abkaufen könnte. So jemand wie Hemmer, der im Mai dieses Jahres mit 68 nach einem Vierteljahrhundert aus dem Landtag ausscheiden wird, hat Freunde über Parteigrenzen hinweg. Und er formuliert die dazu passende Maxime: "Wenn der politisch Andersdenkende nicht auch dein persönlicher Freund sein könnte, dann stimmt was nicht in der Politik."
    Wenn der Sozialdemokrat vom alten Schlag im Frühjahr das Bundesverdienstkreuz erhält, ist das in Hamm, seinem Geburtsort und Lebensmittelpunkt, keine SPD-interne Angelegenheit. Für den CDU-Oberbürgermeister war klar, dass der feierliche Akt in großem Rahmen und im ersten Haus am Platz stattfinden soll. Hamm und Hemmer - das ist eine Paarung fürs Leben. Hemmer wurde 1964 in den Rat seiner Stadt gewählt, er wirkte dort 26 Jahre lang. Großes Reden ist nicht seine Leidenschaft, dickes Selbstlob nach 40 Jahren politischen Wirkens ebenso wenig. Immerhin sagt Hemmer, er habe sich stets für die Belange seiner Stadt eingesetzt, als Ratsmann, SPD-Stadtchef, Schützenbruder, Karnevals-Ehrensenator und Mitglied weiterer Vereine und schließlich im Landtag, wo er seit 1995 den Vorsitz im Verkehrsausschuss innehat.
    Die Bundesverdienstkreuz-Verleihurkunde ist noch von Bundespräsident Johannes Rau unterzeichnet. Das macht die stolze Sache für Hemmer noch schöner. Denn Johannes Rau und Manfred Hemmer - das ist mehr als politische Freundschaft, da ist in Jahrzehnten ein reißfestes menschliches Band entstanden. Hemmers politisches Idol war Willy Brandt. 1972 saß er, der SPD-Lokalmatador, neben dem Wahlkämpfer Brandt im Wagen. "Sternstunden meines politischen Lebens" nennt Hemmer das 72er Ereignis. Es blieb nicht bei nur einer Sternstunde: Der Sozialdemokrat, der 1960 in die Partei eingetreten war, dessen Eltern SPD-Mitglieder waren, erinnert sich: "Helmut Schmidt, Klaus Schütz, Fritz Erler, Herbert Wehner und Carlo Schmid ... alle großen Leute der damaligen SPD habe ich in Hamm persönlich kennen gelernt."
    Freundschaften
    Manfred Hemmer, den seine Freunde "Manni" nennen, scheidet ohne Verdruss, aber mit ein bisschen Wehmut aus dem Parlament. Er wird die dort gewachsenen Freundschaften vermissen. Auch zu "politisch Andersdenkenden", er verzichtet mit Bedacht auf das Wort "Gegner". Über Heinz Hardt von der CDU beispielsweise, einen anderen alten parlamentarischen Fahrensmann, redet Hemmer Gutes: "Wenn Hardt was sagt, steht er zu seinem Wort, er lässt dich nicht ins Messer laufen, ich schätze ihn sehr." Aus Hemmers Mund klingt das nicht berechnend, nicht altersmilde, vielmehr echt und unverdorben.
    Wenn einer mit insgesamt 41 Jahren Politik-Erfahrung tschüs sagt, darf eine Bilanz nicht fehlen: Die Politik sei hektischer, komplizierter geworden. In den Achtzigern habe man mehr bewegen können, auch weil mehr Geld zur Verfügung gestanden habe. Natürlich bekümmert ihn das gesunkene Ansehen von Politikern. Warum das so gekommen sei? "Wir diskutieren zu viel, das Rumgehampel und Rumgeeiere muss aufhören."
    Verkehrspolitisch, nicht aber sozialpolitisch, wäre Hemmer die FDP als Regierungspartnerin lieber als die Grünen es sind. Der Hammer Altmeister stöhnt laut auf, wenn er an Fledermäuse oder anderes Getier, wenn er überhaupt an Zeitverzögerungen denkt, die wieder einmal ein wirtschaftlich notwendiges Projekt verzögern.
    Hemmer, der eine erwachsene Tochter hat, will nach der letzten Verkehrsausschuss-Sitzung am 7. April (ihm zu Ehren in Hamm) und nach dem Mandats-Ende im Mai häuslicher werden. Der Pensionärs-Plan sieht in etwa so aus: Erst mal entspannen, mit der Ehefrau nach Norderney fahren, anschließend darüber nachdenken, wie man sich nützlich machen könnte. Ein Stubenhocker wird der gelernte Tischler und Technische Zeichner sowie Personalratschef beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe nicht werden.
    Reinhold Michels

    ID: LIN00233

  • Porträt der Woche: Sybille Haußmann (GRÜNE).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 2 - 23.02.2005

    Als migrationspolitische Sprecherin der GRÜNE-Fraktion im Düsseldorfer Landtag hat Sybille Haußmann ein Thema aufgegriffen, das unter den Nägeln brennt. Es geht um die Gleichberechtigung von Muslimen als religiöse Minderheit in Deutschland. "Allein in NRW leben derzeit rund eine Million Muslime, damit ist der Islam eine der drei großen Religionen im Land", sagt die 45-jährige Landtagsabgeordnete. Doch während das Verhältnis zwischen Staat und Kirche bei den beiden christlichen Glaubensgemeinschaften und auch bei den jüdischen Gemeinden klar geregelt ist, fehlt für Muslime bislang eine solche Übereinkunft. "Das hat damit zu tun, dass es keinen zentralen Ansprechpartner gibt", weiß die Politikerin. Muslime seien nicht hierarchisch und schon gar nicht einheitlich organisiert. Es gibt mindestens fünf Organisationen, mit denen man sich ins Benehmen setzen muss. Außerdem gehören einige der führenden Muslime Vereinen an, auf die der Verfassungsschutz ein Auge hat. Beides führt dazu, dass sich die rot-grüne Landesregierung bei dem Thema, trotz des Drängens der GRÜNE-Fraktion, zögerlich verhält.
    Dabei ist nach Auffassung von Sybille Haußmann ein geregeltes und verbindliches Verhältnis zwischen Staat und Muslimen eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein Zusammenleben. Fast täglich stünden Themen, die Muslime betreffen, auf der Tagesordnung des Landtags. Nach eigenem Eingeständnis hat die engagierte Politikerin auf diesem Gebiet mit ihrer parlamentarischen Arbeit bislang weniger erreichen können, als sie wünscht. Obwohl ihr klar ist, dass parlamentarische Arbeit immer ein Bohren dicker Bretter bedeutet, hofft sie doch, dass es jetzt mit der Lösung der Aufgabe etwas besser voran gehen wird. "Es ist mir wirklich eine Herzensangelegenheit, dass etwas geschieht", betont sie. Wichtig wäre ihrer Meinung nach, dass eine legitimierte, landesweit zentrale islamische Einrichtung geschaffen würde, mit der die Landesregierung verhandeln könnte.
    Sozialarbeit
    Noch ein anderes Thema ist für die Diplom-Sozialarbeiterin Herzenssache. Seit sie als Nachrückerin für ihren Fraktionskollegen Dr. Michael Vesper vor Jahren in den Landtag einzog, kämpft sie für Haftvermeidung. "Dabei geht es darum, dass Menschen, die nicht in Haft gehören, auch nicht in eine Haftanstalt kommen." Haußmanns Argumentation ist schlüssig: Oft sitzen Alkoholsünder oder Kleinkriminelle wie Ladendiebe ein, die nach Richterwillen eigentlich eine Geldstrafe bezahlen sollten. Weil die Unterbringung in Haftanstalten teuer ist, verursachen sie ein Vielfaches der Kosten, die als Buße in die Landeskasse fließen sollten. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass sie durch den Gefängnisaufenthalt ihren Arbeitsplatz verlieren, die Familie aus dem Tritt gerät oder gar die Wohnung verloren geht. Ein rot-grünes Konzept zur Änderung dieses Problems wurde zwar verabschiedet, doch es fehlt an Geld, um es umzusetzen. Wie schwer es ist, parteipolitisch als richtig erkannte Ziele in einem Parlament umzusetzen hat Sybille Haußmann in ihrer ersten Legislaturperiode hinreichend erfahren. "Als Newcomerin habe ich mich zäh durchgebissen, aber es war schon ein hartes Stück Arbeit", sagt die 1960 in Hildesheim geborene Grüne, die in Köln studierte und heute ihren Wahlkreis in Düren hat. Nach dem Studium machte sie ein Anerkennungsjahr im Jugendamt des Erftkreises. Danach war sie in verschiedenen anderen Bereichen tätig, ehe sie 1992 Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirchengemeinden der Region Jülich wurde und ab 1996 als Gleichstellungsbeauftragte der Kreisverwaltung Düren arbeitete. Mit der Annahme des Landtagsmandats beendete sie den Dienst in der Verwaltung, weil er mit ihrer Abgeordnetenstellung nicht vereinbar ist. Ob sie im nächsten Landtag von Anfang an mit machen wird, ist unsicher, denn bei der Aufstellung der Liste für die Wahl im Mai 2005 landete sie erneut auf Platz 19.
    Viel Freizeit hat sie nicht. "Ich habe zwei kleine Kinder. Das ist mein Hobby. Der Dreijährige ist im Kindergarten. Für das jüngste Kind sorgt eine Kinderfrau, weil mein Mann auch im Landtag arbeitet", lacht Sybille Haußmann bei der Frage nach Hobbys. "Ich versuche mich zu disziplinieren, und mindestens einmal in der Woche zu joggen."
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN00178

  • Porträt der Woche: Antonius Rüsenberg (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 1 - 26.01.2005

    Seit 25 Jahren gehört Antonius Rüsenberg dem nordrhein-westfälischen Landtag an, fünf Mal wurde er für die CDU im Wahlkreis 116 (Höxter II) direkt gewählt. Doch mit Ende der 13. Legislaturperiode ist auch für den dann 62-jährigen gelernten Landmaschinenschlosser, Sozialarbeiter und engagierten Familienpolitiker Schluss. "Ein bisschen Wehmut ist auch dabei."
    Leichter fällt ihm der Abschied, weil er selber spürt, dass er in der Politik nicht mehr so zu Hause ist wie zu Beginn seiner Landtagskarriere. "Man hat nicht mehr den richtigen Biss, man will nicht mehr an der Deichsel stehen, um den Karren zu ziehen", beschreibt er seine Gemütslage. Ihm missfällt, dass die Politik insgesamt hektischer und kurzatmiger geworden ist. "Wir müssten nachhaltig wirken und uns auf die wichtigen Zusammenhänge konzentrieren und nicht nur auf den Beifall des Tages setzen", beschreibt Rüsenberg seinen inneren Kompass. Wichtig sei es, einen festen Standpunkt einzunehmen und dabei auch zu bleiben, auch wenn einem der Wind der öffentlichen Meinung ins Gesicht weht. Für den gläubigen Katholiken und standfesten Vertreter des Arbeitnehmerflügels in der CDU richtet sich Politik zu stark danach, "was gut bei den Menschen ankommt".
    Wichtig waren für Rüsenberg auch immer die persönlichen Beziehungen über die Fraktionsgrenzen hinaus. So haben ihn seine politischen Gegner stets als von seiner Sache überzeugten, aber überaus fairen und angenehmen Kollegen kennen gelernt. Doch heute, so klagt er, gebe es kaum noch die Möglichkeit, Porträt der Woche: Antonius Rüsenberg (CDU) sich zusammen zu setzen und in Ruhe über grundsätzliche Fragen nachzudenken und zu diskutieren. Das häufigste Argument, das man zu hören bekomme, sei der Satz: "Ich würde ja gerne, aber ich habe leider keine Zeit." An der Kollegialität zu vielen Abgeordneten hat das freilich nichts geändert, "das habe ich in Zeiten meiner schweren Krankheit erfahren, als viele Kollegen aus allen Fraktionen bei mir anriefen und mir alles Gute wünschten".
    Richtschnur
    Rüsenberg ist alles andere als ein rückwärts gewandter Politiker. "Wir müssen gravierende Veränderungen in der Gesellschaft in unser Handeln einbeziehen. Antworten, die früher einmal richtig waren, müssen heute anders formuliert werden." An den Kernaussagen der christlichen Soziallehre, der er sich während seiner politischen Laufbahn immer verpflichtet fühlte, an der Würde des Menschen, auch der des ungeborenen und des Arbeitslosen, müsse man jedoch festhalten. "Wenn wir uns nicht an diesen Grundwerten orientieren, kommt Sand ins Getriebe", mahnt Rüsenberg seine Kollegen. Deshalb bekennt er sich auch klar zum "C" im Namen seiner Partei. Standfestigkeit empfiehlt er seiner Partei vor allem für den Fall, dass sie am 22. Mai ihr Wahlziel erreicht und zusammen mit der FDP die Regierung stellen kann. Obwohl Rüsenberg während seiner gesamten Zugehörigkeit zum Landtag auf den harten Oppositionsbänken saß, fand er die Arbeit zufrieden stellend und in vielen Fällen auch erfolgreich. Zwar landeten mindestens drei Viertel der Papiere, die eine Opposition produziere, im Papierkorb, doch habe er lange und letztendlich mit Erfolg dafür gekämpft, dass in der Landesverfassung der Satz aufgenommen wurde: "Familienarbeit ist der Erwerbsarbeit gleichwertig." Auch die Verkleinerung des Landtags auf 181 Abgeordnete ab der nächsten Wahl geht auf seine Forderung zurück. Ihm wäre es noch lieber gewesen, wenn das Landesparlament auf 151 verkleinert worden wäre.
    Vor Langeweile im politischen Ruhestand hat Rüsenberg keine Angst. Der CDU bleibt er schon deshalb verbunden, weil ihn der Kreisverband Höxter zum Ehrenvorsitzenden auf Lebenszeit gewählt hat. Er bleibt Patientenbeauftragter in seinem Heimatort Steinheim und hat schon Anfragen aus der Katholischen Arbeiterbewegung und der Kolpingfamilie vorliegen. Am meisten freut sich der stolze Opa aber darauf, dass er künftig mehr Zeit hat, um seine dreijährige Enkelin zum Kindergarten zu bringen und wieder abzuholen.
    Peter Jansen

    ID: LIN00007

  • Porträt der Woche: Karin Jung (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 15 - 22.12.2004

    Schon bei ihrer ersten Kandidatur 1995 für den Landtag wusste Karin Jung genau, warum sie in das NRW-Parlament einziehen wollte: "Mir ging es darum, die Schulen so zu verändern, dass sie wirkliche Chancengleichheit bieten", sagt die SPD-Abgeordnete, die selber 25 Jahre lang als Lehrerin gearbeitet hat. Zusammen mit anderen Sozialdemokraten hat sich Karin Jung seit Anfang der 90-er Jahre für die Offene Ganztagsgrundschule engagiert.
    Mit dieser kleinen, aber klaren Nummer sei sie 1995 angetreten und das Ziel sei jetzt erreicht, meint die SPD-Abgeordnete: "Zwar gibt es die Ganztagsgrundschulen noch nicht flächendeckend, aber inhaltlich ist das Thema akzeptiert und auch praktisch ist es auf den Weg gebracht."
    Ganz so einfach wie sich Karin Jung vor zehn Jahren ihre Lobby-Arbeit für Schüler vorgestellt hatte, lief das in der Abgeordnetenwirklichkeit dann aber nicht. Nach ihrer erfolgreichen Wahl wurden ihr zunächst der Innen- und der Rechtsausschuss als Arbeitsfelder zugewiesen. Ihr Ziel verlor sie allerdings nicht aus den Augen. Als sich nach einem Jahr die Möglichkeit bot, in den Ausschuss für Schule und Weiterbildung zu wechseln, hat sie die Chance wahrgenommen. In unzähligen Ausschusssitzungen und Arbeitskreisen hat sie sich seither für die Betreuung der Schüler am Nachmittag eingesetzt. Ihr schulpolitisches Engagement führte dazu, dass es nach ihrer Wiederwahl 2000 keinerlei Probleme gab, als ordentliches Mitglied ihre Arbeit im Schulausschuss fortzusetzen. Heute freut sie der politische Erfolg.
    Dabei war es keineswegs ihr Ziel gewesen, Berufspolitikerin zu werden. Am 3. September 1942 in Berlin geboren, hatte Karin Jung dort das Abitur gemacht und auch in Berlin Germanistik und Geschichte studiert. Nach dem 1. Staatsexamen ging sie mit ihrem Mann Volker Jung nach Düsseldorf und arbeitete nach dem 2. Staatsexamen am Hildener Helmholtz Gymnasium als Lehrerin. Parteipolitisch hatte sie sich bereits mit 18 Jahren bei der SPD engagiert und gehörte zum linken Flügel.
    Engagement
    Von 1979 bis 1995 war Karin Jung als Stadtverordnete im Rat der Stadt Düsseldorf. Dort beschäftigte sie sich bereits intensiv mit Schul- und Sozialfragen. Als die Partei sie bat, für den Landtag zu kandidieren, war sie zunächst überrascht, sagte dann aber zu, schließlich hatte sie ein Ziel. "Bei meiner Kandidatur habe ich gesagt, dass ich nicht die Front der Lehrer im Landtag verstärken wollte, die ideologische Grabenkämpfe ausfechten, sondern mich um eine Verbesserung der Kinder kümmern wollte - und das hat offenbar Wirkung gezeigt", erinnert sich Karin Jung heute. Neben dem Schulausschuss arbeitet sie in der laufenden Legislaturperiode auch im Europa- und Eine-Welt-Ausschuss mit. Eine Tätigkeit, die zeitaufwendig ist, aber der früheren Juso-Frau inhaltlich Freude macht.
    Da Karin Jung ihren Wahlkreis in Düsseldorf hat, entfallen für sie weite Fahrten, außerdem kann sie ihr Büro im Parlament als Wahlkreisbüro nutzen. Zwar hat sie auch einen Raum in der Parteizentrale, aber die meiste Arbeit läuft im Landtag zusammen, wobei sie einräumt, dass sie im Gegensatz zu den Kollegen, die einen Wahlkreis auf dem Land haben, weniger häufig von den Bürgern angesprochen wird.
    Ganz sachte bestellt Karin Jung jetzt schon ihr Feld. Im Schulausschuss ist ihr Anliegen "auf die Schiene" gesetzt. Als Sprecherin Im Europa- und Eine-Welt-Ausschuss arbeitet sie ihren möglichen Nachfolger ein. Für sie war immer klar: Nach zehn Jahren ist Schluss. Sie wird nicht mehr kandidieren. Ob sie an die Schule zurückkehrt, hat sie noch nicht entschieden. Karin Jung: "Einerseits reizt mich das, andererseits würde ich auch gern einmal außerhalb der Schul- oder Parlamentsferien Urlaub machen." Und da steht die Provence als Lieblingsreisegebiet ganz oben auf der Liste.
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN00970

  • Porträt der Woche: Dr. Thomas Rommelspacher (GRÜNE).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 14 - 08.12.2004

    Städtebauliche Visionen nicht nur am Reißbrett zu entwerfen, sondern auch zu erden. Menschen bei der Planung ihres Lebensraumes mitzunehmen. Das ist der Spagat aus theoretischem Anspruch und praktischer Projektrealisierung, der Dr. Thomas Rommelspacher von Studentenzeiten an bis heute fasziniert. Auch zu den Grünen stieß der inzwischen als "junger Alter" durchgehende 57-jährige Essener Abgeordnete über seinen "Doppelberuf" als Sozialwissenschaftler und Stadtplaner: Bei der Beratung von Bürgerinitiativen im Ruhrgebiet, die sich in den siebziger Jahren zum größten Teil mit Erfolg - gegen den Brachialabriss von Zechenwohnungen wehrten. "Da waren wir unserer Zeit weit voraus", blickt Rommelspacher noch heute mit Stolz über die gelungene Sanierung klassischer Arbeitersiedlungen wie Flöz Dickebank in Gelsenkirchen oder die Kolonien Dorstfeld in Dortmund, Ickern in Castrop- Rauxel oder Teutoburgia in Herne zurück.
    Zu diesem Zeitpunkt hatte der promovierte und habilitierte Akademiker seine erste Karriere als Politiker allerdings schon eine Weile hinter sich: Bei den Jungsozialisten und im Sozialistischen Hochschulbund (SHB), in dem er gemeinsam mit dem späteren langjährigen NRW-Städtebauminister Christoph Zöpel an der noch jungen Bochumer Ruhr-Universität dem Gründungsrektor Kurt Biedenkopf zusetzte.
    Das Jahr 1968, das einer gesamten politischen Bewegung in Europa und den USA seinen Namen gab, wurde auch für Rommelspacher zu einem prägenden Datum: Er war dabei auf dem Höhepunkt der Studentenunruhen in Paris und er beendete das Kapitel SPD wie viele Linke seiner Generation mit den von der Großen Koalition in Bonn durchgesetzten Notstandsgesetzen. In die zweite "grüne" Politik-Karriere geriet er weniger gezielt geplant als vielmehr en passant, sagt er im Rückblick auf die ausgehenden siebziger Jahre. Um die diffuse linksalternative Szene in Essen besser zu bündeln, gründete er mit Freunden in der Ruhrstadt die Grün-Alternative Liste (GAL), die später mit den "richtigen" Grünen fusionierte. Für diese saß Rommelspacher drei Legislaturperioden im Essener Stadtrat und trieb die Gründung des Grünenbezirks Ruhr voran.
    Schwarz-Grün
    Vor wenigen Tagen konnte Rommelspacher als maßgeblicher "grüner Schmied" des ersten schwarz-grünen Bündnisses in der zweitgrößten Stadt des Landes die späten Früchte seines langjährigen politischen Wirkens einfahren. Die Entscheidung für das Ratsbündnis mit der CDU sieht Rommelspacher allerdings völlig nüchtern. Sie sei ausschließlich der Arithmetik und der derzeitigen Lage der Essener SPD geschuldet und ohne jede Signalwirkung im Hinblick auf die Landespolitik, versichert er. Und führt wie zum Beweis an, dass er gleichzeitig in Verhandlungen mit SPD-Generalsekretär Michael Groschek eine rot-grüne Koalition in der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhrgebiet (RVR) anstrebe.
    Das Kapitel als Berufspolitiker begann Rommelspacher, der zunächst zwölf Jahre freiberuflich oder selbstständig als Städteplaner arbeitete, bevor er als Hochschullehrer in den Landesdienst eintrat, mit den Landtagswahlen 2000. Dass er anschließend seine beruflichen Kompetenzen auch schwerpunktmäßig in seine parlamentarische Arbeit einbrachte, war konsequent. Denn er ist nicht ein exzellenter Experte seiner Materie, er kennt auch landesweit viele Fachleute aus der Planerszene. Und nicht zuletzt ist das Städtebau- Ressort fest in grüner Hand.
    Dass seine Partei ihm jüngst keinen sicheren Listenplatz gab, ist für Rommelspacher kein Beinbruch. Schon jetzt habe den Fall seiner Rückkehr in den Hochschuldienst ein interessantes Projekt im Auge, versichert er. Ein zusätzliches Kompetenzfeld möchte sich der Wohnungs- und Städtebauexperte auf jeden Fall erobern. Nicht zuletzt auch aus persönlichen Motiven, wie er mit ein bisschen Koketterie gerne einräumt: Die Altenpolitik. "Ich möchte ältere Menschen aus dem Klammergriff der Sozialpolitik befreien", begründet der Junggeselle sein Missfallen darüber, dass Senioren "ausschließlich über Defizite definiert werden".
    Michael Fritsch

    ID: LIN00927

  • Porträt der Woche: Christof Rasche (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 13 - 24.11.2004

    Christof Rasche ist ein klassischer "Überläufer". Sein Vater war 20 Jahre lang Vorsitzender der CDU in Erwitte und der Sohn war drauf und dran, in seine Fußstapfen zu treten. Immerhin war er Ende der 70-er Vorsitzender der Jungen Union in seiner Heimatstadt. Doch einer seiner beiden Brüder - elf Jahre älter - "bekehrte" ihn, als Christof 16 war, indem er in Erwitte die FDP gründete. Und sie hatten hohe Ziele: "Mein Bruder und ich wollten schon immer die absolute Mehrheit der CDU brechen."
    Das ist zwar nicht ganz gelungen. Aber die FDP in Erwitte kam immer näher dran. Denn bis 1994 hatten die Liberalen in der 16.500- Einwohner-Stadt immer Kommunalwahlergebnisse von sieben bis acht Prozent. Bei den nächsten Wahlen waren es schon 18,5 Prozent, danach schon 23,3. Und bei der Landtagswahl 2000 schaffte die FDP in Erwitte mit Rasche sogar stolze 24,5 Prozent. "Wir haben in der Bevölkerung endlich Anerkennung gefunden", sagt Rasche. Und: "Diese Zahlen zeigen schon alleine, was möglich ist."
    Auch der Einzug in den Landtag war möglich, wie sich im Mai 2000 herausstellte. Über Platz elf der Landesreserveliste bekam der Ostwestfale sein Mandat. Und inzwischen hat er sich in seiner Fraktion zum echten Verkehrsexperten entwickelt, ist verkehrspolitischer Sprecher und stellvertretender Sprecher des Landesfachausschusses "Verkehr" in der FDP. "Ich wollte mich um das kümmern, was mich immer am meisten geärgert hat, weil ich viel unterwegs war und bin: die ständigen Staus auf der Autobahn."
    Viel unterwegs war er vor allem in der Zeit, in der er geglaubt hat, er könne zwei Jobs nebenher machen. Den einen seit der Wahl im Landtag und den anderen als Filialleiter der Sparkasse in Erwitte-Anröchte. "Ich war am Anfang in einer Phase, in der ich geglaubt habe, man kann das miteinander verbinden. Halbtags Bank, halbtags Politik." Doch schnell hat der jetzt 42-Jährige gemerkt, dass das nicht geht. "Wenn man seinen Job hier ernst nehmen will, dann muss man raus, dann ist man permanent unterwegs. Vor allem als Verkehrspolitiker." Rasche: "Also habe ich mich dann entschieden: Ich setze auf Politik und mache das jetzt richtig."
    Handballer
    Deshalb bleibt ihm jetzt auch immer weniger Zeit für seine schönste Nebensache der Welt: Handball. In der Kindheit noch, wie fast alle dem Fußball verfallen, zog es ihn mit 14 zu den etwas kleineren Toren in die Halle. Insofern ist er auch hier ein Überläufer. Und hat dabei die Seiten bis heute nicht mehr gewechselt. Allerdings muss der TuS 06 Anröchte ab und an schon mal ohne ihn auskommen, das Mandat geht schließlich vor. Dennoch liegt die Mannschaft ganz gut im Rennen: Platz 4 der 2. Kreisklasse im Kreis Hellweg zurzeit.
    Dass viele seinen Lieblings-Sport als "zu brutal" abqualifizieren, stört ihn nicht: "Man kann sich ja wehren. Außerdem kenne ich keinen anderen Sport, bei dem man sich über eine Stunde lang schöner austoben kann als beim Handball." So sehr austoben, dass ihm innerhalb eines Jahres schon mal zwei Schneidezähne abhanden kamen - "aber das war eher Zufall".
    Dann doch lieber als Zuschauer bei seinem "FC Schalke 04". Da ist der Vorsitzende des städtischen Sportverbandes Erwitte dann genauso "bekloppt" wie alle "Blau-Weißen". Denn wenn er mit seinem älteren Bruder "auf Schalke" geht, dann merkt er immer wieder, dass er sich "mit Herz und Bauch" dem Verein angeschlossen hat. "Vielleicht aber auch ohne den Kopf, denn logisch ist das alles nicht."
    Und wenn Christof Rasche mal Ruhe und Erholung braucht, dann fährt er zwei Wochen Ski, trinkt ein Bier mit Freunden oder spielt eine Runde Doppelkopf. Oder er geht mit seinem Airedale-Terrier "Aisha" spazieren. Aber kaum etwas kann ihn so sehr entspannen wie eine Mütze Kurz-Schlaf: Er setzt oder legt sich hin, irgendwo, macht die Augen zu - und schläft ein. "Innerhalb von einer Minute. Nach einer Viertelstunde bin ich fit. Das brauchte ich mir noch nicht einmal anzutrainieren, das ist einfach so."
    Ralph Goldmann

    ID: LIN00879

  • Porträt der Woche: Dr. Stefan Grüll (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 12 - 11.11.2004

    Was macht den Politiker aus? Der unbedingte Wille, sich um die öffentliche Sache zu kümmern? Wenn das die zulässige Definition eines Politikers ist, wird man Dr. Stefan Grüll als homo politicus bezeichnen dürfen. Denn der Wille, sich einzubringen, sich zu kümmern, mit zu bestimmen und - natürlich - mit zu entscheiden, das ist der wichtigste Antrieb des FDP-Abgeordneten Grüll, der seit 2000 im Landtag sitzt.
    Das gilt im Kleinen wie im Großen. Das gilt für Hundeverordnung wie Medienpolitik, für Finanz- und Haushaltspolitik wie für die Innenpolitik. In diesem Sinn wird man Grüll bescheinigen können und müssen, dass er der klassische politische Generalist ist. Einer, der sich um alles kümmert. Einer, der öffentliche Wirkung erzielen will. Jemand halt, der führen will und diesen Anspruch auch stets geltend macht - ganz gleich, ob er dazu selbst aktiv wird, wie bei seiner jüngsten, durchaus erfolgreichen Kandidatur bei den Kommunalwahlen für das Landratsamt im Kreis Borken; oder ob er von dritten in die erste Reihe ge- schoben werden soll, wie nach seinem Einzug in den Landtag im Jahr 2000 durch den damaligen FDP-Partei- und Fraktionschef Jürgen W. Möllemann; Oder ob er sich selbst dazu in Stellung bringt, wie bei seiner Kandidatur zum Fraktionsvorsitz im Landtag nach dem Rücktritt Möllemanns, die er knapp, aber kläglich verlor.
    Liberaler Kopf
    Kläglich war diese Niederlage in doppelter Hinsicht: Sie traf zunächst Grüll selbst unerwartet und kann insofern als Beleg dafür gelten, dass der jung-dynamische 43-Jährige Mehrheiten und Diskurs in seiner Partei nicht immer realistisch bewertet. Kläglich aber auch für die FDP, weil die nicht übermäßig mit politischen Talenten ausgestattete liberale Partei, die unter Möllemann mit dem Anspruch antrat, Volkspartei werden zu wollen, sich mit der Ausgrenzung eines Kopfes aus ihrem sonst wenig profilierten Team von dem Ziel verabschiedet, Partei mit eigenem Anspruchsund Inhaltsprofil zu sein und zurückkehrt zu ihrer alten Funktion als Mehrheitsbeschafferin.
    Grüll verfügt bis heute über ausgezeichnete Kontakte zur intellektuellen Führung der Bundespartei und doch macht es der liberale Kopf sich und der FDP nicht eben leicht, miteinander zurecht zu kommen. Er hat es noch nie getan. Früher als andere ging er auf Distanz zu Jürgen W. Möllemann, der doch sein politischer Ziehvater war, als der mit dem Israelkritischen Wahlkampf-Flyer den Boden liberaler Politik in Richtung Populismus zu verlassen schien. Kein Zufall, dass gerade Grüll damals den FDP-Antrag "Jüdisches Leben in NRW" schrieb.
    Auch heute noch schwingt unüberhörbar Respekt, geradezu Zuneigung mit, wenn Grüll über seinen früheren Mentor spricht. Entschiedener als möglicherweise die Partei selbst, hält der Jurist an Möllemanns Volkspartei- Konzept und der Strategie der Eigenständigkeit fest. Er ist überzeugt, die FDP habe das Zeug zu mehr. Aus diesem Ansporn heraus veröffentlichte Grüll gemeinsam mit dem früheren Schatzmeister Andreas Reichel im Oktober 2003 den Aufruf "Freie Demokraten in der FDP", ein Papier, das er angesichts der damaligen Lage der Partei für notwendig hielt. Den Titel würde er heute ändern. Eine Abspaltung, wie die Parteiführung unterstellte, war nie angestrebt. Dennoch tut sich seither die FDP mit dem führenden politischen Kopf noch ein wenig schwerer. Das gilt auch umgekehrt und dürfte wohl so bleiben. Gerade erst hat der Jesuitenschüler seine Kritik an der Haltung der FDP gegenüber dem als EU-Kommissar gescheiterten Italiener Buttiglione formuliert. Eine liberale Gesellschaft müsse nicht zwingend voller Liberaler sein, umschreibt Grüll sein Credo von Meinungsfreiheit.
    An Rückzug denkt der gelernte Bankkaufmann und praktizierende Rechtsanwalt nicht. Im Gegenteil. Mit seiner Ehefrau ist Grüll gerade von Bonn nach Düsseldorf umgezogen und setzt damit zugleich zwei politische Signale: Er ist kampfbereit und dabei - wie das Borkener Ergebnis zeigt - auch erfolgreich. Kein Zweifel, Grüll will weiter Politik machen.
    Thomas Seim

    ID: LIN00829

  • Porträt der Woche: Ralf Jäger (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 11 - 06.10.2004

    1982. Regierungswechsel in Bonn. Ralf Jäger hört die Regierungserklärung des neuen CDU-Bundeskanzlers. Helmut Kohl ruft zur "geistig-moralischen Wende" in der Bundesrepublik auf. Für den 20-Jährigen Duisburger ein Grund, spontan zum Telefon zu greifen und der SPD beizutreten. Denn: "Ich fand die Moral in Deutschland völlig in Ordnung! Gegen solches Ansinnen wollte ich was unternehmen. Aber dann hat es doch noch 16 Jahre gedauert, bis sich wieder was geändert hat," lacht der junge Abgeordnete heute.
    Dass er sich die Sozialdemokraten für sein politisches Engagement aussuchte, sei für ihn von Anfang an klar gewesen. "Mein Vater ist früh verstorben und ich war das einzige von vier Kindern, das aufs Gymnasium gehen konnte. Ich habe damals von der sozialliberalen Bildungspolitik profitiert." Die Förderung von Menschen mit geringen Chancen qua Herkunft ist Ralf Jägers Thema geblieben.
    In seinem Wahlkreis Duisburg-Meiderich leben viele von ihnen, Sozialhilfeempfänger, viele Migranten, viele arme Familien. Traditionell wählt man hier sozialdemokratisch. Und so schaffte es der Neuling bei den letzten Landtagswahlen auch, mit 60,4 Prozent den Stimmenrekord für die SPD im Land zu holen. Kein anderes Fraktionsmitglied der SPD kann ihm da das Wasser reichen. Ralf Jäger scheint das fast ein bisschen unangenehm zu sein. Schnell verweist er auf die miserable Wahlbeteiligung von knapp über 50 Prozent.
    Jäger war 14 Jahre lang Fachreferent bei der Techniker Krankenkasse, bevor er in den Landtag einzog. Auch hier legt er einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf die Gesundheitspolitik: Er ist Sprecher der Enquetekommission "Zukunft der Pflege" und Mitglied im Ausschuss "Arbeit, Gesundheit, Soziales". Dazu kommt ein neues Amt: Jäger ist seit wenigen Monaten kommunalpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Er bringt eine mehrjährige Erfahrung aus dem Duisburger Stadtrat mit. "Kommunalpolitik hat mich einfach immer interessiert." Im Alter von 27 Jahren nahm er zum ersten Mal für die SPD im Rat der Stadt Duisburg Platz, einige Jahre später wurde er dort stellvertretender Fraktionsvorsitzender.
    Kommunalpolitik
    Neben seinem Landtagsmandat engagiert sich Jäger als ehrenamtlicher Aufsichtsratsvorsitzender einer Beschäftigungsgesellschaft in seinem Wahlkreis. Menschen mit wenig Chancen wieder in Arbeit zu bringen, das ist das Ziel. Und dazu gehört, Hilfe anzubieten - aber auch Engagement des Hilfesuchenden einzufordern. "So muss jeder, der Sozialhilfe beantragt, ein Beratungsgespräch wahrnehmen, in dem seine individuelle Situation begutachtet und Hilfestellungen angeboten werden. Denn das Ziel ist, arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger in Arbeit zu bringen. "Aber wer den Termin sausen lässt, der bekommt erst mal keine Sozialhilfe. Fördern und fordern, das ist das richtige Prinzip."
    Trotz der umstrittenen Hartz IV-Gesetze: Reformen im Sozial- und Arbeitssystem hält Jäger für unumgänglich, und auch die generelle Richtung seiner Partei hält er für richtig. Aber er ärgert sich über die schlechten Umfrageergebnisse seiner Partei. Die seien auch hausgemacht: "Weil sie zum Teil auf groben handwerklichen Fehlern basieren." Und die haben die Parteifreunde in Berlin zu verantworten. Im Wahlkreis erlebt Jäger die große Enttäuschung seiner Stammwähler hautnah. Da führt er Gespräche, die ihn oft ratlos zurücklassen. Etwa wenn DGB-Rentner trotz langer Erklärungen beim Abschied dann doch sagen, dass sie diese Politik von "ihrer" SPD nicht erwartet hätten.
    Als Ausgleich zur Politik liebt Ralf Jäger das Fußballspielen und den 10.000-Meter- Lauf. Er lebt als alleinerziehender Vater zusammen mit seiner elfjährigen Tochter Dana. Und wie findet die den Beruf ihres Vaters? Ist sie stolz? "Nö, Dana findet meinem Beruf eher peinlich", erzählt Ralf Jäger und lacht.
    Beate Becker

    ID: LIN00781

  • Porträt der Woche: Ilka Keller (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 10 - 22.09.2004

    Sich mit der Oppositionsrolle abzufinden oder gar sich darin einzurichten, ist nicht "das Ding" von Ilka Keller. "Wenn ich das Gefühl hätte, würde ich aufhören", sagt die CDU-Landtagsabgeordnete resolut. Ausgestattet mit einem Direktmandat vertritt sie seit 1990 die linksrheinischen Städte und Gemeinden Alfter, Bornheim, Meckenheim, Rheinbach und Wachtberg im Landtag. Bei der quirligen Aktivität, die sie an den Tag legt, ist ein Ausscheiden nicht zu befürchten. Entschieden erklärt die CDU-Frau: "Ich brauche das Gefühl, dass ich etwas bewirken kann, ansonsten würde die Arbeit für mich uninteressant. Wichtig sind für mich auch die Menschen vor Ort. Ich brauche wirklichen Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern." Dabei räumt die Christdemokratin ein, dass sie aus der Rolle der Oppositionspolitikerin in ihrem Wahlkreis politisch mehr bewirken kann als im Düsseldorfer Landtag. Dementsprechend verteilt sie ihre Arbeitskraft.
    Da ihr Wahlkreis vom Umzugsbeschluss des Bundestages besonders betroffen war, wirbelte Ilka Keller in den letzten Jahren kräftig vor Ort. Es galt, Gemeinde übergreifend neue Gewerbegebiete anzuschieben, für ein Technologiezentrum zu werben und sich für Umgehungsstraßen sowie einen zusätzlichen Autobahnanschluss einzusetzen. "Bei all diesen Projekten konnte ich Kontakte zwischen meinem Wahlkreis und Düsseldorf herstellen. In vielen Fällen war das eine wirkliche Herausforderung. Sie hat Spaß gemacht und macht noch immer Spaß. Da kann man sehen, wie sich etwas verändert und dass man als Teil davon mitwirken konnte", freut sie sich. Ihr Wahlkreisbüro hat Ilka Keller, die 1944 in Bad Wiessee geboren wurde, in der Nähe des Hauptbahnhofs mitten in Bonn. "Damit alle Bürger mich gut erreichen" erklärt die Abgeordnete. Dort ist sie regelmäßig anzutreffen.
    Europapolitik
    Im Düsseldorfer Landtag hat sich Ilka Keller auf ihre Rolle als Sprecherin für Europa- und Eine-Welt-Politik konzentriert, nachdem sie sich in den vorangegangenen Legislaturperioden vor allem mit Wirtschaft, Landwirtschaft und Kultur beschäftigte. "Losgelöst von Europa können wir viele Projekte gar nicht mehr durchsetzen", so Keller, zu deren Schwerpunkten die Agenda 21, ökologische Produktionsweisen und kulturelle Belange gehören. In ihrer Sprecherfunktion hat die CDU-Politikerin viel an der rot-grünen Landesregierung zu kritisieren. "Sowohl für die Europa- wie für die Eine-Welt-Politik kann ich sagen, dass wir von der Union die Anträge formulieren und versuchen, die Themen voranzutreiben. Von Regierungsseite kommt praktisch nichts", stellt Ilka Keller fest. In der letzten Haushaltsdebatte hat die CDU-Abgeordnete, die verheiratet ist und zwei Kinder groß gezogen hat, dem zuständigen Minister Wolfram Kuschke vorgeworfen: "Das Europakapitel ist Pfusch am europäischen Bau." Der Minister selber spreche von einer Schmerzgrenze, doch die sei längst überschritten, rügt Ilka Keller. Vor allem ärgert es die CDU-Politikerin, dass die Landesregierung die von Brüssel angebotenen Mittel nicht ausschöpft. "Dabei bräuchten wir die Mittel dringend für die Forschung und zur Vergabeverstoß zur ist es nicht weit Schaffung neuer Arbeitsplätze", rügt sie.
    Ilka Keller, die gelernte Reisebüro-Verkehrskauffrau ist, kam 1973 zur CDU und kletterte kontinuierlich auf der politischen Karriereleiter nach oben. 1974 bis 1989 war sie Vorsitzende CDU-Frauenunion Swisttal. 1974-1989 Mitglied des Gemeinderates Swisttal. 1979-1994 Mitglied des Kreistages Rhein-Sieg-Kreis, seit 1995 Vorsitzende der CDU Swisttal und Mitglied Kreis- und Landesvorstand.
    Für Hobbys hat Ilka Keller kaum Zeit. Doch in der mageren Freizeit liest sie alles, was Wirtschaft, Management und Kultur zusammenhängt. Tatsächlich scheint die Politik Hobby zu sein. Dabei ist es der Christdemokratin wichtig, dass die Bürger das Gefühl haben, in Entscheidungsprozesse einbezogen zu sein. "Wenn das nicht gelingt, hat die Politik keine Chance", weiß die Abgeordnete.
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN00736

  • Porträt der Woche: Barbara Steffens (GRÜNE).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 9 - 21.07.2004

    Es ist deutlich zu spüren: Barbara Steffens ist in ihrem Element. Die grüne Vizefraktionschefin im Düsseldorfer Landtag legt sich mächtig ins Zeug. Seit Wochen tourt sie durchs Land, hält Vorträge, schreibt Rundbriefe und stellt Fragebögen zusammen. Anlass für so viel Aktivität ist eigentlich ein Bundesthema. Was unter dem Schlagwort Hartz IV, also der vom Bund beschlossenen Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfegeld anscheinend so harmlos daher kommt, birgt in der Umsetzung vor Ort Riesenprobleme. Das hat die grüne Sozialpolitikerin genau erkannt.
    "Es geht jetzt darum, im Sinne der Bürger die bestmögliche Ausgestaltung zu erreichen. Deswegen müssen wir als Grüne die Rolle des Sprachrohrs der Betroffenen übernehmen und in deren Interesse Fragen stellen, Probleme benennen und Lösungen bei Bund und Kommunen einfordern. Wir sind um eine optimale Umsetzung bemüht", betont die 42-Jährige. Sie weiß, dass ein Gutteil des Erfolgs ihrer Partei damit zusammenhängt, dass die Grünen versuchen, ihren Wählern die Politik zu erklären und an den Wahlkampfständen Antworten auf die Fragen der Bürger zu geben.
    Auf ihrem Weg zur engagierten Sozial-, Arbeits- und Gesundheitspolitikerin hat Barbara Steffens einen tüchtigen Weg zurückgelegt. Die am 24. Januar 1962 in Düsseldorf geborene und in Köln aufgewachsene Abgeordnete hat nach dem Abitur Afrikanistik, Romanistik und Politik studiert, dann aber eine Ausbildung zur Biologisch- Technischen Assistentin gemacht, um anschließend Chemie zu studieren. Über Mitarbeit beim BUND, bei Greenpeace und in Anti-Atom- bewegungen kam Barbara Steffens als Nichtgrüne zum Umweltarbeitskreis der grünen Kölner Ratsfraktion. Dort hatte sie das Gefühl, etwas bewegen und verändern zu können. "Die Arbeit war erfolgreich und hat Resultate gebracht. Deshalb bin ich dann 1989 Mitglied im BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geworden", erinnert sie sich.
    Eifrige Rednerin
    Danach ging es mit der Parteikarriere rasch bergauf. Kurz darauf war Barbara Steffens im Kreisverbandsvorstand. 1992 wurde sie politische Geschäftsführerin des Landesvorstandes NRW, also erste Generalsekretärin der Landesgrünen. Von 1994 bis 2000 war sie Landesvorstandssprecherin, von 1998 bis 2000 Mitglied des Parteirates des Bundesverbandes der Grünen. Als Mitglied im Koalitionsausschuss bearbeitete sie die Gebiete Arbeit, Gesundheit und Soziales. Da war es nur folgerichtig, dass sie im Jahr 2000 Landtagsabgeordnete Sprecherin der Grünen im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheit der Vertriebenen und Flüchtlinge wurde. Außerdem ist die grüne Abgeordnete in der Enquete-Kommission "Situation und Zukunft der Pflege in NRW" aktiv.
    Wie das Landtagsprotokoll ausweist, hat Barbara Steffens in ihrer relativ kurzen Abgeordnetenzeit bereits 173 Reden gehalten. Dabei ging es um wichtige, von der Bevölkerung stark beachtete, allerdings nicht sonderlich populäre Themen wie das Landespflegegesetz oder das Bestattungsgesetz. Für die kommende Legislaturperiode, in der sie gern wieder dabei sein möchte, sieht sie im Ausbau der häuslichen Pflege und in der Vernetzung der ambulanten Pflege mit der Stadtentwicklungspolitik neue, immer wichtiger werdende Schwerpunkte ihrer Arbeit.
    Neben dem politischen Engagement sorgte Barbara Steffens für Aufsehen, als sie ganz privat die erste schwarz-grüne Verbindung im Landtag schuf. Ihr Sitzpartner im Plenum, der haushaltspolitische Sprecher der CDU, Helmut Diegel, wurde zum Freund und Ehemann. Immer den Blick nach vorn gerichtet, hält Barbara Steffens politisch die Fortsetzung der rot-grünen Koalition in Düsseldorf auch nach der Landtagswahl 2005 für wünschenswert und logisch, weil beide Fraktionen "thematisch nahe beieinander liegen". Das Gerede von einer möglichen schwarz-grünen Koalition auf Landesebene nennt Barbara Steffens eine "absolut von außen aufgezwungene, künstlich herbei geredete Debatte" und fügt mit wissendem Augenzwinkern hinzu: "Ich habe ja eine schwarz-grüne Ehe."
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN00682

  • Porträt der Woche: Helga Schwarz-Schumann (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 8 - 30.06.2004

    Den kennst du doch", grübelte Helga Schwarz-Schumann für einen Moment, als sie im Fernsehen den neuen Bundesbank-Präsidenten sah. Dann fiel der Groschen: "Klar, der Axel Weber von der Uni in Siegen, Ende der Siebziger, er Volkswirtschaft, ich Betriebswirtschaft."
    Kein gerader Weg
    Helga Schwarz-Schumann, die 49-jährige Sozialdemokratin aus Siegen, trat nicht auf dem geraden Weg - Gymnasium, Abi, Studium - ins Akademikerleben. Die Siegenerin wurde nach der Mittleren Reife zunächst zur Technischen Zeichnerin ausgebildet. In einem Betrieb engagierte sie sich als Jugendvertreterin. Es folgte der mühsame Parcours der besonders Strebsamen mit Köpfchen: Abitur auf dem zweiten Bildungsweg, von 1975 bis 1980 Betriebswirtschaftslehre. Zu 228 war man bei Studienbeginn, zum Schluss blieben davon noch 18 übrig. Im dritten Semester, bei der Prüfung in Recht, fielen 90 Prozent der Studiosi durch.
    In die Gewerkschaft trat Helga Schwarz-Schumann schon als 17-Jährige ein. Zur SPD fand sie erst 17 Jahre später - 1988. "Ich wuchs in einem christlich geprägten Elternhaus auf, da herrschte die Meinung vor: Sozis taugen nichts." Außerdem lehnte sie die Sicherheitspolitik (Stichwort: Nato-Doppelbeschluss) des damaligen Bundeskanzlers Schmidt von der SPD ab. Kurz hat sie Ende der Achtziger mit den Grünen geliebäugelt, sich aber dann doch für die SPD entschieden, auch wegen der größeren Gewerkschaftsferne der Grünen. Gustav Heinemann mit seiner christlich-friedenspolitischen Prägung hat sie mehr beeindruckt als Willy Brandt.
    Helga Schwarz-Schumann ist eine freundlich auftretende Frau, aufgeschlossen und sympathisch im Gespräch, nie verengt auf landespolitische, gar siegerländische Themen. In den Bundestag gewählt zu werden, hat sie nie gereizt, das Europaparlament hätte schon eine Verlockung sein können. "Europa", sagt das Mitglied des Europaausschusses des Landtages, "betrifft die Menschen viel mehr als sie wissen". Die Idee der "Vereinigten Staaten von Europa" bezeichnet die Abgeordnete vorsichtig als eine Vision, welche vielleicht eine folgende Generation verwirklichen werde.
    Helga Schwarz-Schumann, die mit einem Rechtsanwalt verheiratet ist, zwei erwachsene Töchter (die Jüngere ist Juso) hat, gerne auf der kanarischen Insel La Gomera urlaubt, ist viel in der Welt herumgekommen. Sie kann sich vorstellen, den Lebensabend in Südafrika zu verbringen.

    International

    Ihr politisch-wirtschaftliches Interesse zielt auf frappierende Entwicklungen in Indien und China: "Indien wird hier völlig unterschätzt, es ist faszinierend zu sehen, was sich dort technologisch tut." Zu China: "Jedes Jahr werden dort 600.000 Ingenieure fertig"; sie wiederholt die Zahl, um ihren Gesprächspartner gehörig mitstaunen zu lassen.
    Helga Schwarz-Schumanns Düsseldorfer Büro wirkt karg: ein Landschaftsbild aus dem Parlamentsfundus an der Wand, nichts Grünes auf dem Fensterbord. Eine Packung Gauloises am Tag empfindet sie als ihr persönliches Laster. Früher war die fröhliche Raucherin sehr sportaktiv: Handballerin in der Regionalliga bis zum Meniskusschaden, Tennisspielerin bis zur chronischen Schultergelenksentzündung. Heute joggt sie zwei Mal pro Woche, und beim Abfahrtski darf die Piste schon schön steil sein.
    Reinhold Michels

    ID: LIN00602

  • Porträt der Woche: Wilfried Kramps (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 7 - 16.06.2004

    Wilfried Kramps hat eine aufwändige Inventur vor sich. Wenn die Landtagswahl im Mai 2005 vorüber ist, dann will er sich erst einmal ein halbes Jahr Zeit nehmen. Er wird zurückgelegte Papiere hervorkramen, vergessene Notizen finden, Gedanken ordnen, Wichtiges von Unwichtigem trennen. Kurzum, Wilfried Kramps wird die vergangenen zwanzig Jahre aufarbeiten. "Ich werde sehen, was ich für das weitere Leben mitnehmen kann und was nicht", sagt er. Das klingt weder traurig noch froh, sondern neutral. Sein Gesichtsausdruck verändert sich nicht: ein freundlicher Blick hinter der Brille und meist ein Schmunzeln unterm Schnurrbart. Hinterhertrauern ist seine Sache nicht. Der 64-Jährige ist einer von vielen Landtagsabgeordneten, die nicht mehr zur Wahl antreten. Vier Mal hat der Hagener kandidiert, vier Mal ist er direkt in den Landtag gelangt. Eine Erfolgsserie, die dank einer traditionell übermächtigen SPD im Ruhrgebiet nicht selten war.
    Wilfried Kramps hat eine Menge miterlebt: die Sozialdemokraten 1985 auf dem Zenit ihrer Macht, als sie mit Ministerpräsident Johannes Rau 52,1 Prozent erreichten, und den unaufhaltsamen Rückgang danach. Er hat zu spüren bekommen, wie Politik sich verändert. Man dürfe nicht bedauern, dass alles so gekommen sei. "Es gibt Erklärungen für die Entwicklung", sagt Wilfried Kramps. "Reformen bedeuteten früher, dass es besser wurde, dass man mehr bekam. Heute bedeuten Reformen Einschnitte." Die Leute seien darauf "nicht richtig vorbereitet worden, weder von Kohl noch von Schröder". Eine Alternative zum eingeschlagenen Kurs sieht er nicht. Die SPD müsse das "durchstehen".
    1972 - welch ein Kontrast für Sozialdemokraten. "Eine dolle Zeit", sagt Wilfried Kramps. Tausende Menschen drängten in die SPD, inspiriert von Willy Brandt. "Da herrschte richtige Aufbruchstimmung." Wilfried Kramps gehörte da schon zwölf Jahre der Partei an. Der politische Weg des gebürtigen Witteners war vorgeprägt: Sein Vater schuftete im Bergbau und war Betriebsratschef, sein Onkel Ewald Sprave war SPD-Bürgermeister von Dortmund. Er habe sich früh für gesellschaftspolitische Fragen interessiert, sagt Wilfried Kramps. Nach seiner Lehre zum Industriekaufmann besuchte der Speditionsangestellte einen Fortbildungslehrgang der SPD. Er gehörte Anfang der 60-er Jahre zu den "Wehner-Zöglingen", die für Funktionärsposten geschult wurden. Herbert Wehner unterwies den Nachwuchs zeitweise in Organisations- und Machtpolitik, "ein prägender Mann", sagt Wilfried Kramps. Ab 1965 war er zwanzig Jahre lang Parteisekretär und Geschäftsführer im Unterbezirk Hagen. Ratsmandat, SPD-Fraktionsführung und Vorsitz des Unterbezirks kamen hinzu.
    Nach seinem Einzug in den Landtag 1985 durfte er wie die anderen Abgeordneten aufschreiben, welchen Ausschüssen er angehörenmöchte. Ein Wunsch immerhin erfüllte sich: Er kam als ordentliches Mitglied in den Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen. Zudem wurde ihm der Petitionsausschuss zugewiesen. Diese Kombination hat er seitdem beibehalten. Im Petitionsausschuss ist er mittlerweile Sprecher der SPD-Fraktion.
    Zwanzig Jahre einer Regierungsfraktion anzugehören, das hält Wilfried Kramps für einen "Sonderfall" und fügt hinzu: "Die Demokratie lebt eigentlich vom Wandel." Die Frage, was in den vergangenen zwei Jahrzehnten ihm am besten oder wenigsten gefallen habe, beantwortet er diplomatisch: Es habe "schwierigere und leichtere Momente" gegeben. Wilfried Kramps überlegt. "Besser arbeiten konnte man zur Zeit von Johannes Rau." Der größte politische Verdienst: der Strukturwandel im Ruhrgebiet. Als problematisch empfindet er es, dass die Politik schnelllebiger geworden sei, dies gehe zu Lasten der Genauigkeit.
    Wenn Wilfried Kramps Ende nächsten Jahres seine innere Inventur abgeschlossen hat, dann will er neue "Projekte" angehen. Der Vater von vier erwachsenen Kindern würde gern "hilfsbedürftigen Wesen" zur Seite stehen, ganz gleich, ob es Senioren oder Kinder sind. Das ureigene Anliegen des Petitionsausschusses lässt Wilfried Kramps nicht mehr los.
    Kristian Frigelj

    ID: LIN00550

  • Porträt der Woche: Hannelore Brüning (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 6 - 12.05.2004

    Den Blick durchs Bürofenster auf den gepflegten grünen Hügel und das lichte Stadttor dahinter genießt die Abgeordnete Hannelore Brüning. Dass in diesem Stadttor baldmöglichst ein Ministerpräsident und Parteifreund namens Jürgen Rüttgers arbeiten möge - dafür rackert die 61- jährige Christdemokratin aus dem Münsterland. Sie rackert, man muss das sagen, auch wenn es ungalant klingt, "wie ein Berserker”. Seit 1990 gehört Brüning dem Parlament an, immer mit der Urerfahrung der NRW-CDU im Kopf, scheinbar auf ewig Opposition sein zu müssen. Die erdverbundene CDU-Frau sagt: "Das ist mein politischer Antrieb. Ich will einmal Politik in Düsseldorf aus der Perspektive von Regierungsverantwortung machen.” Auf die Frage, ob sich dahinter eine Bewerbung bei Jürgen Rüttgers für einen möglichen Kabinettposten verbirgt, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: "Um Gottes Willen, ich sehe mich nicht als Schattenministerin.”
    Menschen wie Hannelore Brüning sind Managerinnen eines persönlichen Alltags, der eigentlich 24 Wachstunden haben müsste, damit man ihn bewältigen kann. Vor 35 Jahren hat sie zusammen mit ihrem Ehemann in Neuenkirchen bei Rheine einen Handwerksbetrieb aufgebaut: Heizung, Sanitär, Klima. Zwölf Mitarbeiter zählt der Betrieb. Zwei Kinder, ein Sohn und eine Tochter, wurden großgezogen. Der 36-jährige Sohn (Betriebswirt und Versorgungsingenieur) ist mittlerweile Juniorchef im elterlichen Betrieb. Die 33-jährige Tochter führt in der Heimat- gemeinde als Floristen-Meisterin ihr eigenes Geschäft. Fotos der Enkel stehen auf Hannelore Brünings Schreibtisch, an der Schranktür kleben Blätter mit Selbstgemaltem der Kleinen für die Oma, die so selten zu sehen ist.
    Hannelore Brüning lacht: "Mein Steuerberater fragt mich auch immer, warum ich mir das alles antue.” 1975 wurde sie CDUMitglied, eine andere Partei kam nie in Frage. Seit 1979 gehört sie dem Gemeinderat Neuenkirchen an. Sie häufte politische Posten in Stadt, Kreis, in mittelständischen Gremien, Arbeitgeberverbänden, in Landtagsausschüssen, in der Fraktion, wo sie ein Auge auf die Finanzen hat. Politisch engagierte Wesen sind alle Brünings. Die Abgeordnete, die auf straffe und konsequente Organisation ihres prallen Pflichtenlebens achtet, wollte als Mittelständlerin politisch Flagge zeigen. Nicht in eigenen Gremien jammernd hocken, sondern etwas tun, sich in die Öffentlichkeit begeben, für die Sache des Mittelstandes streiten - das ist das politische Credo des Tatmenschen aus dem Münsterland.

    Ansprechpartnerin

    In ihrem 14.000-Einwohner-Städtchen ist sie jedermann bekannt: "Wenn ich mal einen Liter Milch kaufen gehe, dauert das eine Stunde.” Sie bezeichnete es als einen Vorteil, dass die Menschen vor ihrer Haustür stehen und ihre Anliegen vorbringen. Früher war Brüning eine gute Tennisspielerin. Lang ist‘s her. Heute ist sie schon froh, am Wochenende mit dem Rad unterwegs sein zu können. Ihren Urlaub verbringen die Brünings am liebsten an südeuropäischen Stränden. Nur in den Ferien greift sie zu Büchern - bevorzugt leichte Kost. Der Handwerksbetrieb in Neuenkirchen ist gesund, auch weil man stets die Privatkundschaft mit Rund-um-die-Uhr- Servive gepflegt habe, anstatt auf Großaufträge öffentlicher Auftraggeber zu bauen. Die Firma Brüning hat stets Lehrlinge ausgebildet. Die Seniorchefin stimmt in das verbreitete Klagelied von den zunehmend schlecht auf das Berufsleben vorbereiteten Lehrlingen ein: "Wir kriegen von den Schulen nicht genügend fähige Azubi." Die jungen Menschen seien zu bedauern: "Die können nix dafür.”
    Reinhold Michels

    ID: LIN00498

  • Porträt der Woche: Horst Engel (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 5 - 28.04.2004

    Es gab im Leben von Horst Engel so ziemlich genau zwei Termine, an denen sich seine politische Arbeit grundlegend veränderte. Der eine war die Landtagswahl, der andere der Tag der Anschläge in New York und Washington.
    Am 14. Mai 2000 saß er mit zwei Zetteln in den Taschen in seinem Wagen auf dem Weg ins Kreishaus nach Bergheim und hörte im Radio die Hochrechnungen, die die FDP bei zehn Prozent sahen. "Das ist ein Irrtum, das kann nicht sein", dachte er sich. Denn ursprünglich, so erinnert er sich, war er "für die Kommunalpolitik im Erftkreis gebucht", kam dann aber über Platz 2 der Landesreserveliste in den Landtag.
    Und nur 16 Monate später dann der zweite wegweisende Termin im Leben von Horst Engel: "Seit dem 11. September 2001 ist bei mir der Teufel los. Das Telefon klingelt fast rund um die Uhr. Ich habe noch nie so hart gearbeitet wie in der Zeit nach den Anschlägen", sagt der innenpolitische Sprecher seiner Fraktion, der sich seither hauptsächlich mit Sicherheitspolitik beschäftigt.

    "Gelernter Kölner"

    Geboren wurde Horst Engel 1947 in Leipzig: "Das war reiner Zufall", meint er im Rückblick. Darum bezeichnet sich der 57-Jährige gerne als "gelernten Kölner", der inzwischen in Pulheim lebt, aber ständig unterwegs ist.
    In Köln verwirklichte Engel dann Ende der 60-er Jahre auch seinen alten Kindheitstraum: Er wurde Kommissar. Mit 24 war er "Oberbeamter vom Dienst" auf der Einsatzleitstelle "Arnold". "Eine spannende Zeit, die ich nicht missen will", erinnert er sich. Er traf auf alle Schichten der Bevölkerung, lernte mit Menschen umzugehen. Und holte sich dort auch das nötige Einfühlungsvermögen. "Das hat mir natürlich später bei meiner Arbeit als Abgeordneter sehr geholfen."
    In die Politik trieb es ihn 1976, eher als Seiteneinsteiger, wie er sagt. Schon früh hatte er Veranstaltungen der Europa-Union besucht. Nach dem Umzug nach Pulheim wurde er gefragt, ob er nicht bei der FDP mitmachen wolle. Er machte mit, weil er die Liberalen eher in der Nähe des europäischen Gedankens sah als die anderen Parteien. Und das alles "ohne irgendwelche Ambitionen", aber mit großem Erfolg: Auf Anhieb schaffte er 28,3 Prozent bei der ersten Kommunalwahl, bei der er kandidierte. Doch die Ansprüche hat er inzwischen heruntergeschraubt. Bei der nächsten Kommunalwahl heißt das Ziel: sieben Prozent. Für die kommende Landtagswahl lautet die Devise:"Wir haben die besseren Startvoraussetzungen als 2000, weil wir jetzt im Landtag sind. Das ist ein schweres Pfund. Deshalb bin ich auch sehr optimistisch, dass wir ein gutes Wahlergebnis erzielen." Ob es aber so wird wie vor vier Jahren, das möchte Horst Engel heute noch nicht beurteilen.
    Und wenn sich Horst Engel einmal nicht mit Wahlen, nicht mit den Sorgen und Nöten der Bürger im Land und im Kreis und nicht mit Innen- oder Sicherheitspolitik beschäftigt, dann geht es ab zum Ski fahren - und da führt kein Weg dran vorbei: "Diese 14 Tage im Winter, immer in der letzten Februar- und in der ersten März-Woche, das haben wir bis heute durchgehalten."
    Nicht ganz so konsequent ist er da bei seiner zweiten großen sportlichen Leidenschaft: dem Surf- und Segelsport. Nachdem er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr Badminton spielen konnte, trieb es ihn aufs Wasser. Und dort ging er seinem Ziel, die Segelscheine bis zum "Hochseeschein" zu machen, genauso geradlinig nach wie zuvor seinem Ziel Kommissar zu werden.
    Und beim bislang letzten Törn hat er sich dann einfach mal segeln lassen, auf dem Nachbau einer amerikanischen Brigantine, einem riesigen Segel-Schoner: "Sie brauchten nicht unbedingt mit anfassen, konnten aber." Da hat er es sich dann so richtig gemütlich gemacht und mal die anderen arbeiten lassen. Arbeiten, dachte er sich wohl, kann ich zu Hause noch genug. Erst recht nach den zwei Tagen, an denen sich seine Arbeit grundlegend veränderte.
    Ralph Goldmann

    ID: LIN00450

  • Porträt der Woche: Dr. Michael Brinkmeier (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 4 - 24.03.2004

    Den Blick von seinem Abgeordnetenbüro auf die gläserne Düsseldorfer Regierungszentrale findet Michael Brinkmeier richtig schön; allerdings fände der CDU-Mann es noch besser, wenn er ab 2005 in entgegengesetzter Richtung auf den NRW-Landtag blicken könnte. Nach 39 Jahren auf den harten Oppositionsbänken wünscht Brinkmeier seiner Partei endlich den Wechsel auf die Regierungsbank.
    An der Politik faszinieren den bisherigen Unternehmensberater die Abläufe der Entscheidungsprozesse. Hier habe der Einzelne die Chance, eigene Ideen durchzusetzen. "Wenn ich glaube, einen Lösungsvorschlag für ein politisches Problem gefunden zu haben, dann muss ich die Bevölkerung davon überzeugen, dass dies der richtige Weg ist. Das macht die Sache zwar kompliziert, darin liegt aber ihr Reiz.Vielleicht sehe ich das später mal anders, aber im Augenblick finde ich das total spannend", meint Michael Brinkmeier.
    Deshalb hat Brinkmeier auch nicht lange gezögert, als ihn die CDU aufforderte, sich um ein Landtagsmandat zu bewerben. In die Junge Union war er bereits während seiner Schülerzeit eingetreten. Seit 1987 gehört er der CDU an. Während des Studiums hielt er locker Kontakt zur Union. Nach seiner Rückkehr ins heimatliche Rietberg in Westfalen war es dann nur folgerichtig, dass er nach seiner wissenschaftlichen Ausbildung und einer beruflichen Tätigkeit als Unternehmensberater in der Wirtschaft nun sein Glück in der Politik suchte. Bereut hat er es bislang noch nicht.
    Im Augenblick ist der 36-Jährige gerade dabei, die eigenen Parteifreunde und fraktionsübergreifend alle Abgeordneten von den Vorteilen einer elektronischen Verwaltung zu überzeugen. "Mein Anliegen ist es, die Verwaltung in NRW zu modernisieren. Das heißt keineswegs nur, bessere Computer hinzustellen, sondern das bedeutet, die gesamten Verwaltungsprozesse und Strukturen effektiver zu gestalten", erläutert Brinkmeier. Konkret sieht der Christdemokrat die Möglichkeit, dass die Bürgerinnen und Bürger künftig ihre Geschäfte mit der öffentlichen Verwaltung von zu Hause aus über den Computer abwickeln.

    Spaß an der Politik

    In sein Abgeordnetendasein hat sich Michael Brinkmeier schnell eingefunden. Er ist ordentliches Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie, stellvertretender Vorsitzender im Medienausschuss und stellvertretendes Mitglied im Haushalts- und Finanzausschuss sowie im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss I, dem so genannten Filzausschuss. Drei bis vier Tage arbeitet der CDU-Politiker im Düsseldorfer Landtag, die restliche Zeit ist er vor Ort in seinem Wahlkreis. "Anfangs habe ich feste Sprechstunden angeboten. Das hat sich nicht bewährt. Jetzt biete ich flexible Kontakte über Handy oder Internet an. Das klappt prima", findet Brinkmeier. Besonders stolz ist er auf seine Homepage, die von einer Computerzeitschrift als die beste von allen NRW-Abgeordneten ausgezeichnet wurde.
    So sehr dem CDU-Abgeordneten die politische Arbeit gefällt, so sehr stört ihn vieles am alltäglichen parlamentarischen Ablauf. So kritisiert er, dass die nicht auf ihre Vorredner eingehen überdies nicht frei sprechen. Deshalb hat er sich zusammen mit ein paar jüngeren Abgeordneten anderer Fraktionen an den Präsidenten des Landtags Ulrich Schmidt gewandt. Der habe zwar erklärt, dass schon andere vor ihnen erfolglos versucht hätten, Verbesserungen durchzusetzen. Dennoch habe Schmidt seine volle Unterstützung zugesagt.
    Brinkmeier findet zunehmend Spaß am Politikgeschäft. Dabei hatte er zunächst eine ganz andere Laufbahn eingeschlagen. Nach einem Physikstudium an den Universitäten Paderborn, Göttingen, Los Angeles und der anschließenden Promotion am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen, wechselte er zu McKinsey, wo er als Unternehmensberater tätig war.
    In seiner Freizeit ist Michael Brinkmeier gern zu Hause bei der Familie und erholt sich von der Politik bei Gartenarbeit und Spielen mit seinen Kindern.
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN00357

  • Porträt der Woche: Karl-Heinz Haseloh (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 3 - 10.03.2004

    "Ich hätte für Albert Einstein gestimmt." Hätte sich Karl-Heinz Haseloh zur Fernsehsendung "Deutschlands Beste. Wer ist der größte Deutsche?" festlegen müssen, wäre ihm neben Einstein auch Willy Brandt in den Sinn gekommen. Brandts famous last words, die wie in Marmor geschlagen wirken, kann Haseloh auswendig: "Nichts kommt von selbst, und nur wenig ist von Dauer. Besinnt euch auf eure Kraft und darauf, dass jede Zeit ihre Antwort braucht und dass man auf der Höhe der Zeit zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll."
    Der Abgeordnete aus Minden-Lübbecke, der 2000 erstmals in den Landtag gewählt wurde, denkt auch an andere Goldene Worte, etwa die eines 90-jährigen Parteifreundes: "Es ist eine Ehre, für die SPD ein Mandat innezuhaben." "Das sehe ich genauso", sagt der 1946 geborene Diplom-Sozialwirt, der mit einer Katholikin verheiratet ist, den jedoch ein reißfestes Band mit seiner evangelischen Kirche verbindet. Mütterlicherseits gab es eine sozialdemokratische Vorprägung, tiefer noch als die war wohl die Prägung durch ein pietistisch gesinntes Elternhaus. Sofort fragt man an der Stelle nach Haselohs Urteil über Johannes Rau. Rau zählt zu den christlich grundierten Demokraten, die Haseloh besonders schätzt. Er nennt außerdem Erhard Eppler, Gustav Heinemann,Heinrich Albertz.
    Der Politiker mit langjähriger Berufserfahrung als Arbeitnehmer in der Industrie, Betriebsrat und Kirchenreferent in Westfalen legt Wert auf die geistig-ethische Unterfütterung politischen Tuns. Haseloh besucht regelmäßig evangelische Kirchentage. Theorie und Pragma- tismus möchte er zusammenführen. Versöhnen statt spalten? Haseloh schaut zurück auf seinen Werdegang: "In der kirchlichen Jugendarbeit und als Betriebsrat müssen Sie Interessen vertreten, gleichzeitig sind Sie zum Dialog verpflichtet." Er betrachtet sich als einen Transportarbeiter, der dafür sorgt, dass kirchliche und politische Welt sich gegenseitig beliefern und bereichern.

    Sozialethik

    Nostalgie schwingt mit, wenn Haseloh an Brandt und den politischen Aufbruch der späten sechziger und frühen siebziger Jahre denkt. Brandt habe es verstanden, sich bei Arbeitnehmern verständlich zu machen, ihnen Orientierung zu geben. "Beim Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Brandt 1973 war bei uns im Betrieb jedes Radio an." Heute stünden Fragen nach Wohlstandserhalt und sicheren Arbeitsplätzen im Vordergrund. Dennoch brauche die Politik neben Problemlösungs- Kompetenz eine gewisse Sozialethik. Christliche Denker, Sozialethiker wie Oswald von Nell-Breuning oder Friedhelm Hengsbach, sind für Haseloh Menschen mit politischem Scharfblick. Obwohl Haseloh im Gegensatz zu seiner Frau kein Bücherwurm ist, will er Heiner Geißlers Abhandlung "Was würde Jesus heute sagen?" auf jeden Fall lesen.
    Mit der CDU hat der SPD-Mann stets einen Konservatismus verbunden, der ihm fremd blieb - Geißler jedoch, "da hört man hin". Der Parlamentarier, dessen zwei Brüder in der Mission beziehungsweise im Pflegebereich tätig, und darüber hinaus auch in der SPD sind, macht im Gespräch einen temperamentvollen Eindruck. Manchmal spricht er hastig. Man spürt den immerwährenden Leistungswillen eines Aufsteigers, der nach Volksschule und Lehre über den zweiten Bildungsweg und mit gewerkschaftlicher Förderung vorwärts gekommen ist. Haseloh ist bescheiden genug, zu bestimmten politischen Großproblemen - der Embryonenforschung beispielsweise - nichts zu sagen: "Das ist nicht meine Baustelle, da fehlt mir grundlegende Kenntnis."
    Zwanzig Jahre lang war er kommunalpolitisch aktiv. Das ist vorbei. Haseloh tanzt politisch auf einer Hochzeit. "Kommunalpolitische Erfahrungen sind wichtig für einen Landespolitiker, aber man muss nicht mehrere Hüte aufhaben.”
    Der Abgeordnete, der dort zu Hause ist, wo die norddeutsche Tiefebene anfängt, radelt gerne. Spazieren gehen und Schwimmen kommen in Mußestunden hinzu. Bis zum 25. Lebensjahr hat Haseloh Handball gespielt, heute verfolgt er die Spiele des TUS Nettelstedt- Lübbecke. Im Urlaub geht die Familie an die See, bevorzugt nach Wyk auf Föhr: "Wir haben, angefangen bei Texel, alle Nordseeinseln getestet, und uns dann für Föhr entschieden."
    Reinhold Michels

    ID: LIN00290

  • Porträt der Woche: Ursula Doppmeier (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 2 - 11.02.2004

    Ausgerechnet ein persönlicher Schicksalsschlag - der frühe Tod ihres Ehepartners - löste bei Ursula Doppmeier politische Aktivitäten aus. Als alleinstehende Mutter von vier Kindern fühlte sich die damals 40-Jährige "nicht so behandelt, wie ich es mir vorgestellt hatte", erinnert sie sich heute. Statt darüber zu klagen, ergriff die CDULandtagsabgeordnete aus Gütersloh die Initiative. Bis dahin nur passives Mitglied, wurde sie zunächst in der Frauen-Union aktiv, die sie dann 1996 zur Kreis- und zwei Jahre später zur Bezirksvorsitzenden von Ostwestfalen- Lippe wählte.

    Lehramt

    Die 1952 in Hohenlimburg bei Hagen geborene Ursula Doppmeier studierte nach dem Abitur Anglistik und Textilgestaltung an der Universität Münster. Dem Referendariat 1976/77 in Bielefeld folgte die Anstellung als Realschullehrerin an der Freiherr-von-Stein-Realschule in Gütersloh. Wegen der Geburt ihrer Kinder unterrichtete die Abgeordnete später in Teilzeit; nach dem Tod ihres Mannes stieg sie dann wieder voll in den Beruf ein: "Ich musste schließlich das Geld für die Familie verdienen."
    Ungeachtet der beruflichen Tätigkeit engagierte sie sich in Partei und Heimatkreis. So wurde die Christdemokratin 1999 in den Gütersloher Kreistag gewählt. Seit 2000 ist die Gütersloherin auch Stadtverbands- und stell- vertretende Bezirksvorsitzende ihrer Partei. Schließlich rückte sie bei der Landtagswahl im Frühjahr 2000 über die Reserveliste der Union in das Landesparlament.
    Die Fraktion berief ihre neue Kollegin in den Ausschuss für Schule und Weiterbildung sowie in den Ausschuss für Frauenpolitik und entsandte sie in die Enquetekommission "Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW".
    Die Pädagogin hält es für wichtig, dass wieder Leistung in den Schulen gefördert und anerkannt werde. Zudem müsse die Werteder Wissensvermittlung gleichgesetzt werden. In diesem Zusammenhang verweist die Parlamentarierin auf die Diskussion über einen so genannten "Benimm-Unterricht", die nach ihrer Auffassung überflüssig gewesen wäre, wenn man anerkannt hätte, dass die Schule auf zwei Säulen aufgebaut sei - auf Bildung und Erziehung.

    Frauenpolitik

    Im Ausschuss für Frauenpolitik engagiert sie sich dafür, dass die "Sichtweisen" der Frauen stärker in die politischen Entscheidungen eingebracht werden; so beispielsweise bei den öffentlichen Planungs- und Baumaßnahmen. In Gütersloh beispielsweise habe man durchgesetzt, dass neben Parkplätzen für Behinderte auch Stellplätze für "Mütter und Kinder" ausgewiesen wurden.Und sie ärgert es, dass bei öffentlichen Anlagen die Spielplätze meist in "die hinterste Ecke" gedrückt würden.
    In der Enquetekommission macht sie sich mit ihren Kolleginnen für eine "geschlechtsintensivere" Gesundheitsforschung stark. An Herzinfarkt beispielsweise würden mehr Frauen als Männer sterben, weil er bei ihnen zu spät erkannt würde. So sei es nicht länger hinnehmbar, dass 90 Prozent der Medikamente nur an Männern getestet würden.
    In ihrer knapp bemessenen Freizeit entspannt sich die Abgeordnete beim Tennis spielen oder bei der Lektüre möglichst eines Science-Fiction-Romans.
    Jochen Jurettko

    ID: LIN00133

  • Porträt der Woche: Dr. Jens Jordan (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 1 - 28.01.2004

    Jens Jordan macht ungern viel Aufhebens um seine Person. Vor seinem sechzigsten Geburtstag ließ der Waltroper Bürgermeister anfragen, ob eine Glückwunsch-Visite genehm sei. Jordan winkte ab: "Ganz normaler Arbeitstag, da bin ich im Büro in Duisburg." Im engeren Mitarbeiterkreis gab"s am 24.April um Elf ein Glas Sekt zum Festtag - ansonsten business as usual. Am Wochenende danach kamen die vier erwachsenen Kinder (drei Söhne, eine Tochter, zusätzlich vier Enkel) ins Elternhaus, um dem Vater und Großvater zu gratulieren. "Ich will meinen Sechzigsten nicht hochstilisieren", sagt Jens Jordan, der Diplomchemiker in der Stahlbranche, der als Bereichsleiter bei ThyssenKrupp für Messen und Ausstellungen zuständig ist und in der FDP-Fraktion ohne gewaltige parlamentarische Ambitionen die Hinterbank besetzt.
    Das altpreußische Motto, mehr zu sein als zu scheinen, möchte sich der in Heidelberg gebürtige Jordan nicht zu eigen machen. Er ist wohl ein nüchterner Zeitgenosse, der dort, wo er steht, versucht, seine Pflicht zu tun. Der FDP-Abgeordnete hätte es gern, wenn man über ihn sagte, dass man sich auf ihn verlassen könne. Wenn er etwas zugesagt hat, setzt er alles daran, dass den Worten auch Taten folgen, getreu dem Kästner-Spruch: Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es. Jordan versteht sich als einen Mann der unspektakulären Tat, als jemand, der es nicht leiden kann, wenn Leute "rumhängen". Wo immer er Unternehmensgeist wittert, möchte er diesen beflügeln.
    Als Ratsherr in Waltrop und als Landtagsabgeordneter im Wahlkreis Castop-Rauxel/Waltrop engagiert sich der Freidemokrat besonders für das Projekt "newPark". Auf einem früheren Großindustriegebiet soll ein Mix aus produzierendem und dienstleistendem Gewerbe entstehen ? zum Nutzen einer strukturgeschwächten Region, deren Arbeitslosenquote deutlich über dem Landesdurchschnitt von 10,3 Prozent liegt.

    Kompromissbereitschaft

    Alles, was den Wettbewerb behindere, sei nicht arbeitsplatztauglich. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Jens Jordan ist kein Manchester-Kapitalist. Dafür fehlt ihm das kalte Herz des Nur-Profitlers. Er möchte, dass die Menschen in der freien Wirtschaft anständig behandelt werden und geht selbst nach eigenem Urteil liebevoll mit seinen Mitarbeitern um.
    Als Sozialliberalen will sich Freidemokrat Jordan nicht bezeichnen. Politisch und privat neigt er sehr zum Kompromiss, wobei er versteht, dass es manchmal der Brechertypen bedarf, um eine Sache zuzuspitzen und machtvoll voranzubringen. Wiewohl er politisch von gebremstem Ehrgeiz ist, lehnt er Menschen nicht ab, die vor Ehrgeiz brennen, es sei denn, sie vertreten ihre Ansichten ausschließlich aus Eigennutz.
    Als Studiosus der Chemie ließ es der junge Heidelberger beim Lernen langsam angehen. Jordan war ein "68er", kein Linksradikaler, aber ein Verbalradikalinski, der an frechen politischen Sprüchen, an Sitzblockaden und Vorlesungsboykott sowie dem ganzen antiautoritären Gebaren der damaligen Aufbruchjahre seinen Gefallen hatte. 1968/69 wechselte Jordan an die junge Uni Dortmund. Der politisierende Chemiestudent entschloss sich, in die FDP einzutreten. Sechs Monate kurz hat er einmal dem Bundestag angehört. Das war 1994. Im Mai 2000, als er gerade in kurzen Hosen am Gartengrill stand, erreichte ihn die frohe Botschaft, dem neuen Landtag anzugehören. Wie man den ruhigen Mann kennt, wird er sich gefreut haben, aber weiter die Würste gewendet und hernach vertilgt haben. Es ist falsch, von Jordans schlanker Erscheinung auf einen Sportfreund zu schließen. "First of all, no sports" antwortet er auf die Frage nach privaten Leidenschaften. Die Folge dieser Art von Enthaltsamkeit: Ihn plagen weder Tennisarm noch Knieprobleme und auch die manchem Golfer vertrauten Wehwehchen im Lendenwirbelbereich sind ihm fremd. Jordan ist Hobby-Ornithologe. Vom Landtags-Bürofenster aus, das den Blick auf Rhein und Hafenviertel freigibt, beobachtet der Vogelkundler hin und wieder auch mit dem Fernglas Gänse und anderes Federvieh am Flussufer.
    Autor: Reinhold Michels

    ID: LIN00085

  • Porträt der Woche: Hans-Willi Körfges (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 17 - 23.12.2003

    Hans-Willi Körfges erzählt gerade von seiner Stehplatz-Dauerkarte und dass er stets "gut kostümiert" ins Stadion von Borussia Mönchengladbach geht. "Wir machen uns da von allen menschlichen Belastungen frei", sagt der passionierte Schlachtenbummler. Er habe seit seinem neunten Lebensjahr kaum ein Heimspiel verpasst. Der 49-Jährige lächelt, als er das erzählt, und zieht an seiner Pfeife. Dänischer Tabak, seine Lieblingssorte, glimmt auf. Dann kommt die Geschichte von den 80 Pfeifen, die er zu Hause hortet und der Reihe nach schmaucht. Jeden Abend, wenn er seine Gedanken in einer stillen Stunde ordnet, überlegt er sich, welches Exemplar er anderntags benutzen wird.
    Sobald der Mönchengladbacher eine ausgefallene Vorliebe ausgeplaudert hat, verrät er schon die nächste. Spätestens nach einer Stunde im launigen Gespräch drängt sich einem die Vermutung auf, dass es vielleicht gerade jene Eigenarten sind, die ihn vital halten. Außerdem wären da noch Rotwein und ein gewöhnungsbedürftiges Leibgericht, das er gern zubereitet: weiße Bohnen in angesäuerter Buttermilch.
    Hans-Willi Körfges spricht über sich wie über einen sehr guten Freund: Er kann seine Stärken einschätzen ("teamfähig, zielstrebig, fleißig"), aber auch seine Schwächen: "aufbrausend, launisch, zynisch", hat er auf seine Homepage eintragen lassen."Ich habe nicht nur edle Tugenden", sagt er und ist bei einem generellen Problem seiner Kaste angelangt. Es gebe eine "falsche Wahrnehmung von Politikern", die dies zum Teil auch selbst beförderten. "Wir sind keine besseren Menschen", sagt Hans-Willi Körfges. Dennoch legt der Rechtsanwalt hohe Maßstäbe an. Auf seiner Homepage ist sein Abgeordnetengehalt aufgelistet. Sein Sekretariat in der Kanzlei hat er angewiesen, bei jedem Anrufer das Anliegen zu erfragen. Juristische Belange werden durchgestellt, politische erst notiert. Er ruft dann zurück, möglichst nicht vom Büro aus. Es ist im Kleinen sein Beitrag zur Gewaltenteilung. "Ich hoffe, dass mir das immer gelingt. Die Gefahr ist groß, dass man die verschiedenen Lebensbereiche miteinander vermengt."
    Ochsentour
    Ohnehin ist es für ihn schwierig, der sich ausdehnenden politischen Dimension in seinem Leben Einhalt zu gebieten. Der langjährige Kommunalpolitiker, der die klassische Ochsentour Haushalts- und Finanzausschuss absolvierte, und beteuert, dass seine Karriere eine "Aneinanderreihung von Zufälligkeiten" gewesen sei, sitzt inzwischen in vier Ausschüssen des Landtags. Zunächst waren es der Rechts- und der Agrarausschuss, dann der Haupt- und Finanzausschuss, um den er sich bemüht hatte, weil dort viel bewegt wird. Und nun der Untersuchungsausschuss. Dabei ist er erst nach der Wahl im Mai 2000 - mit der hauchdünnen Mehrheit von 119 Stimmen im Wahlkreis - in den Landtag eingezogen. Bei der Frage, wie ein Parlamentsdebütant so rasch Fuß fasst, verweist Hans-Willi Körfges nicht auf seine politische Kompetenz. Stattdessen sagt er: "Wenn ich da bin, bin ich relativ raumfüllend." Er halte mit seiner Meinung nicht hinterm Berg, deshalb falle er auf.
    Um dem Stress zeitweise zu entrinnen, muss das Mitglied des SPD-Landesvorstandes zuweilen zu einer List greifen. Am Wochenende kann es passieren, dass er nicht zu erreichen ist, weil er einen wichtigen "Termin" wahrzunehmen hat. Was ungemein geschäftlich klingt, ist tatsächlich privat, aber nicht minder wichtig. Hans-Willi Körfges möchte sich zumindest einen Tag seiner Ehefrau und seinen drei Kindern widmen. Einen Teil seiner Freizeit verbringt er gern beim Werkeln am eigenen Haus, einem alten Backsteingebäude. Er wolle sich selbst beweisen, dass er auch als Jurist und Politiker anpacken könne, sagt Hans-Willi Körfges. Jüngst hat er eigenhändig Fliesen verlegt. Es ging nur mühsam voran, aber es ging. Der Fliesenboden sieht, wie er findet, ganz passabel aus.
    Kristian Frigelj

    ID: LIN01446

  • Porträt der Woche: Heinz Sahnen (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 16 - 10.12.2003

    In Neuss am Rhein, so geht die Mär, ziehen wenige Hände an vielen Strippen. Die Hände gehörten, so heißt es, ein paar einflussreichen Sippen, die ökonomisch aus dem Gröbsten raus und außerdem römisch-katholisch seien, weshalb sie in der kleinen Großstadt auch die "heiligen Familien" heißen. Heinz Sahnen gehört nicht dazu, dennoch ist er wer in Neuss am Rhein. Das spricht für zweierlei: dass die Erzählung von den "heiligen Familien", welche die Stadtpolitik lenkten, so wahr nicht sein kann und dass der Fernmeldehandwerker, Briefträger, Abendgymnasiast, Kölner Student, Berufsschullehrer a.D., CDU-Matador im Rat und im Kreistag, dass also Heinz Sahnen kommunalpolitisch in seiner Wahlheimat auf eigenen Füßen steht.
    Sahnen, der aus Geeste im Emsland stammt und 1967 nach Neuss gezogen ist, wurde also nicht dreimal mit Erftwasser getauft, wie man das einem "echten Nüsser" nachsagt. Er hat auch kein Mädchen aus Neuss am Rhein geheiratet, sondern eins aus dem niedersächsischen Emsland. Aber Sahnen ist katholisch, was ziemlich klar ist, wenn man aus dem Emsland kommt, einer Art katholischem Urstromland, wo die CDU mit schöner Regelmäßigkeit bei Wahlen so hoch siegt, wie es der CSU zum Beispiel im bayerischen Oberland gelingt. In seinem Kommunalwahlkreis hat Sahnen sowohl 1999 als auch fünf Jahre zuvor mit Resultaten knapp unter der 70-Prozent-Marke triumphiert. Bei der Landtagswahl 2000 schaffte er in Neuss rund 44 Prozent und verwies Innenminister Dr. Fritz Behrens (SPD) deutlich auf Rang zwei.
    Sahnen ist einer jener CDU-Politiker und Katholiken, die zu ihrer Kirche halten, die sich aber ungern von Bischöfen, und seien es Kölner Kardinäle, dreinreden lassen. Sahnen ist zwar vorsichtig genug, derart scharf zu formulieren, aber den Satz "Bischof, sieh zu, dass du deine Kirche voll kriegst, wir in der CDU kümmern uns um die Wähler" empfindet er als so falsch nicht.
    Christliche Wurzeln
    Wenn Sahnen über das "C" in der Politik spricht, hört man den Wertkonservativen mit sozialem Herz heraus: Christlich-sozial, das bedeutet für ihn keine Politik mit Heiligenschein, er will kein Sprachrohr der Kirche sein, Nichtchristen nicht ausschließen. Sahnen, der mit 18 in die CDU eintrat und früh in der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung KAB aktiv war, hat ein politisches Credo: Keine aktive Sterbehilfe, keine Spätabtreibungen, keine verbrauchende Embryonenforschung, Stärkung der Familien, Wiederbelebung der Sozialen Marktwirtschaft, keine sinnlose Beschleunigung des Wandels der Lebensverhältnisse, ein differenziertes Schulsystem mit klarem Erziehungsauftrag gegen Gewalt und für soziales Verhalten.
    Von Sahnen, dem Christlich-Sozialen, hört man auch diesen Satz: Die Hoffnung, dass sich durch ökonomischen Liberalismus Reichtum und Wohlstand schaffen lasse, habe sich nicht bewahrheitet. Das freie Spiel von Angebot und Nachfrage führe nicht zum Heil. Die im Grundgesetz verankerte Sozialpflichtigkeit des Eigentums nennt Sahnen einen "zwingenden Punkt".
    Im Landtag, der zehn Autominuten vor seiner Haustür in Neuss-Erfttal liegt, beschäftigt sich der Christdemokrat viel mit Städtebau-, Wohnungswesen, Raumordnung.
    Mit einem Grundoptimismus, jedoch nicht ohne Sorgen, denkt der Kommunalpolitiker an die Zukunft der Städte. Geringere Einnahmen, Einwohner-Rückgang (an der Rheinschiene - noch - kein Problem), Zuzug schwierig zu integrierender Bevölkerung. Sahnen will, dass die Integrations-Anstrengungen verstärkt werden - nicht allein zur besseren Eingliederung von Ausländern, sondern auch zu Gunsten an den Rand geratener Deutscher: "Sozialpolitik wirft ganz neue, große Fragen auf."
    Sahnen fand nicht wegen großer Vorbilder zur Union. Er hält zwar Konrad Adenauer für einen großen Deutschen, aber sich nach Vorbildern zu orientieren, ist seine Sache nicht.
    Der CDU-Mann spricht schnell und bezeugt, auch nein sagen zu können, wenn man ihn zum politischen Lastesel und Super- Vereinsmeier machen wolle. Männer wie Sahnen sind keine Freizeitspezialisten. Der Vater von zwei erwachsenen Söhnen besucht aber ein Fitness-Studio ("Man muss was tun"); und im Urlaub gelingt es ihm sogar, die Finger von der Politik zu lassen.
    Reinhold Michels

    ID: LIN01495

  • Porträt der Woche: Monika Düker (GRÜNE).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 15 - 27.11.2003

    Wenn man‘s genau nimmt, dann hat ein Häuserspekulant Monika Düker in die Politik getrieben. Das war Ende der 80-er-Jahre. Die Sozialpädagogin arbeitet bei der Arbeiterwohlfahrt in Düsseldorf. Dort macht sie Stadtteilarbeit und kümmert sich um die Belange von Jugendlichen aus Ex- Jugoslawien. Als besagter Spekulant plötzlich die Häuser aufkauft und die Jugendlichen samt Familien rauswerfen will, ist Monika Düker klar: Da muss man was tun. Gemeinsam mit ihren Kollegen berät sie die betroffenen Familien, arbeitet mit Mietervereinen zusammen, organisiert Dolmetscher, sieht zu, dass faire Mietverträge geschlossen werden. Ein offenes Ohr in der Kommunalpolitik findet sie bei den GRÜNEN. Und die überzeugen sie, sich in den Stadtrat wählen zu lassen. So wird sie 1989 jüngstes Ratsmitglied mit 26 Jahren.
    "Man muss sich kümmern", sagt Monika Düker, und das kennt sie schon aus ihrem Elternhaus. Denn da war es selbstverständlich, sich zu engagieren und Position zu beziehen, auch im Kleinen. Der Vater war Gemeinderatsmitglied in Albaxen bei Höxter, ein CDU-Mann." Papa war immer auf einer Sitzung", das kannte die junge Monika gar nicht anders. Doch dass auch sie mal in die Politik gehen würde, das sei völlig überraschend gekommen, sagt sie.
    Zehn Jahre lang sitzt Monika Düker für die Grünen im Düsseldorfer Rat. Ihre Themen: Jugend- und Sozialpolitik. Erst in der Opposition. Dann gewinnt Rot-Grün 1994 die Wahl. Fünf Jahre lang werden Pflöcke eingerammt, sagt Monika Düker, zum Beispiel der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz schon für Kinder ab drei Jahren. Und: Die Finanzen im Jugendbereich werden auch in klammen Zeiten erhalten. Trotzdem danken es die Wähler nicht. 1999 wird Rot-Grün wieder in die Opposition geschickt.

    Kandidatur

    Die politische Niederlage bringt einen neuen Anfang: Politik als Vollzeitjob. Monika Düker bewirbt sich auf dem Parteitag der GRÜNEN 1999 um einen Listenplatz für die Landtagswahlen. Kein einfaches Unterfangen, pflegen die GRÜNEN doch ein Verfahren, das zwar basisdemokratisch ist, aber viele Blessuren und Kränkungen hinterläßt."Demokratie kann manchmal brutal sein." Doch Monika Düker schafft es auf einen sicheren Listenplatz und zieht im Jahr 2000 in den Landtag ein.
    Was hat sie sich als erstes abgewöhnt als junge Abgeordnete? "Die Illusion, dass man schnell mal eben was verändern kann." Zum Beispiel die Polizeistrukturreform. "Da braucht es erst mal eine gründliche Schwachstellenanalyse, die eine unabhängige Kommission jetzt leisten soll. Die wird Ende nächsten Jahres ihren Bericht vorlegen. Das dauert sehr lange, aber das ist der richtige Weg." Davon ist Monika Düker überzeugt. Sie ist innenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion.
    Als besonderen Erfolg ihrer Arbeit wertet sie, das neue Informationsfreiheitsgesetz mit auf den Weg gebracht zu haben. Bürger haben nun ein Recht darauf, ihre Akten bei Behörden einzusehen. Ein Schritt zu mehr Transparenz in der Verwaltung - und ein Gesetz so ganz nach dem Geschmack von Monika Düker.
    Die GRÜNE-Abgeordnete kennt auch das Gefühl, nichts bewirken zu können, ohnmächtig zu sein. Etwa bei Flüchtlingsfragen. So werden alleinerziehende Frauen, die sich in Deutschland von ihren schlagenden Ehemännern getrennt haben, auch weiterhin abgeschoben. Das hat die Innenministerkonferenz beschlossen. Und hat eine humanitäre Ausnahmeregelung ignoriert, wie sie von NRW unter Mitarbeit von Monika Düker vorgeschlagen wurde. Die junge Politikerin ist noch immer fassungslos. "Die schicken die Frauen direkt in die Prostitution. Da schämt man sich für dieses Land." Ein Satz, den die Abgeordnete wiederholt, immer und immer wieder. Ohnmacht ist eine Erfahrung, die sie nicht so ohne weiteres wegsteckt.
    Einen Ausgleich zum Beruf findet die junge Politikerin Zuhause, bei ihrem Lebenspartner. "Kinder haben wir keine, aber eine Katze." Sie bekennt sich zur Toskanafraktion und ist fasziniert von allem, was alt ist und mit Archäologie zu tun hat.
    Beate Becker

    ID: LIN01545

  • Porträt der Woche: Marianne Thomann-Stahl (FDP).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 14 - 12.11.2003

    Marianne Thomann-Stahl lässt wieder einmal Strenge walten. Sie hält ihren Rücken am Schreibtisch kerzengerade und streicht mit dem blauen Stift durch die Antragstexte in ihrer Mappe. Hin und wieder entfährt ihr ein ärgerliches Murmeln. "Das versteht doch kein Mensch", sagt sie dann tadelnd mit ihrem dunklen Timbre. Der Antragsschluss vor einer Plenarwoche rückt näher, und sie redigiert wie gewohnt sämtliche Vorlagen.
    Als Parlamentarische Geschäftsführerin (PG) der FDP-Landtagsfraktion ist sie für deren Wohl zuständig, und dazu gehört auch, die Abgeordneten vor unverständlichen Anträgen zu bewahren. Dass Marianne Thomann-Stahl nach der Landtagswahl 2000 für die Aufgabe der PG auserkoren wurde, ist bei all ihrer Erfahrung nachvollziehbar. Zwischen 1985 und 1995 war sie bereits als Abgeordnete und Fraktionsvize im Düsseldorfer Parlament aktiv. Über sich selbst sagt die gebürtige Schwäbin ohne Überheblichkeit: "Ich bin gut im Organisieren."
    Diese Qualität hat an Bedeutung gewonnen, weil sich die Arbeit verändert hat. Es sei alles kleinteiliger geworden, sagt sie. Beispielsweise seien einmal allein zum Thema WestLB Hunderte von E-Mails bei ihr eingegangen. Ihre dritte Legislaturperiode hat aber auch Marianne Thomann-Stahl an Belastungsgrenzen geführt. Die 49-Jährige war mit der seltenen Gefahr konfrontiert, dass eine Fraktion innerlich zerrissen wird. Es war der Streit um den inzwischen verstorbenen Ex- Fraktionschef Jürgen Möllemann, dessen Spendenaffäre und dessen heraufbeschworenem Antisemitismus-Streit, der zu diesem Ausnahmezustand geführt hatte. Sie habe viele Wogen glätten müssen, sagt die Mindenerin, die den Führungswechsel von Möllemann zu Dr. Ingo Wolf überstanden hat. Mit Interna hält sie sich eisern zurück, auch wenn vieles über die Auseinandersetzungen nach außen gedrungen ist. Schließlich gehört Verschwiegenheit zu den Kardinaltugenden einer PG.

    Rückzugsgebiet

    Diese Zurückhaltung ist es mithin auch, die sie oftmals unnahbar erscheinen lässt. Emotionale Reaktionen kennt man von ihr kaum. Im Zwiegespräch verrät sie aber, dass sie regelmäßig aus der Haut fahre. "Dann lassen sich strittige Angelegenheiten leichter klären." Hinter ihrer Gefasstheit war zuletzt auch große Bestürzung zu sehen. Es war jener Freitag im Juni dieses Jahres, als Jürgen Möllemann nach seinem tödlichen Fallschirm- Absturz beigesetzt wurde. Marianne Thomann-Stahl war eine der wenigen FDP-Abgeordneten, die auf dem Zentralfriedhof in Münster Abschied nahmen. Sie stand mit verwässerten Augen in der Kapelle und brachte kein Wort heraus.
    Es braucht ein wenig Zeit, den Menschen Thomann-Stahl zu entdecken. Doch wenn man ihm erst einmal begegnet, sieht man viele neue Facetten: eine passionierte Operngängerin und Fernreisende, eine Hobby-Gärtnerin und eine engagierte Mutter, die täglich mit ihren beiden Kindern telefoniert. Sie sei die erste Parlamentarierin gewesen, die während ihrer Zeit als Mandatsträgerin schwanger geworden sei, verrät die Diplom- Kauffrau en passant. Sie schwärmt von einem intakten Familienleben, und dabei wird deutlich, dass ihr Zuhause im weit entfernten ostwestfälischen Minden ein wichtiges Rückzugsgebiet ist.
    Als sie vor sechs Jahren dorthin zog, da darbte die FDP vor sich hin. Die Liberalen waren in Nordrhein-Westfalen nur noch eine belächelte außerparlamentarische Opposition. Diese Hungerjahre wird sie trotz der fulminanten Rückkehr in den Landtag vor drei Jahren nicht vergessen. Dabei sieht Marianne Thomann-Stahl, die seit 30 Jahren den Freien Demokraten angehört, die Unberechenbarkeit in der Politik sehr nüchtern und würde eher zu einem "So ist das eben" neigen als zu schicksalsschwangeren Betrachtungen. Von einer schnörkeligen Ausdrucksweise hält sie ohnehin nicht viel. Philosophische Weisheiten wie die des Dalai Lama seien auch nicht so ihr Fall, sagt sie und fügt schmunzelnd hinzu: "Da ist mir ein ordentlicher Krimi lieber."
    Kristian Frigelj

    ID: LIN01647

  • Porträt der Woche: Gisela Hinnemann (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 13 - 08.10.2003

    Ihre Kompetenz ist unbestritten. Seit drei Jahren ist die CDU-Abgeordnete Gisela Hinnemann Vorsitzende des Sportausschusses im Düsseldorfer Landtag. Die Christdemokratin wird nicht nur von den eigenen Parteifreunden anerkannt. Auch die anderen Fraktionen respektieren ihr Fachwissen und ihre Führungsqualitäten. Mitglieder des Sportausschusses schätzen vor allem ihre Einsatzbereitschaft vor Ort, und dass sie die repräsentativen Pflichten ihres Jobs sehr ernst nimmt. Die Rolle der Sportausschussvorsitzenden scheint der 54-Jährigen auf den Leib geschnitten zu sein. Selber Dressurreiterin und verheiratet mit einem Landwirt und Reitlehrer, der Olympiateilnehmer trainiert, ist für sie Fairplay auch in der Politik selbstverständlich. Dennoch war es höchst ungewöhnlich, dass die CDU-Frau im Jahr 2000, gerade in den Düsseldorfer Landtag gewählt, auch schon mit dem Vorsitz des Sportausschusses betraut wurde, den bis dahin die SPD für sich beansprucht hatte. Offensichtlich hatte sich die CDU-Fraktionsspitze für eine Praktikerin entschieden. "Ich glaube, dass ich als Vermittlerin ganz gut auf den Stuhl passe."
    Als Vorsitzende hat sie eine mehr neutrale Rolle und Gisela Hinnemann, die vor ihrer Abgeordnetentätigkeit Mathematiklehrerin an einem Gymnasium war, versteht es, ihre Meinung freundlich zu verpacken und gleichzeitig ihre Position zu behaupten.
    Trotz der Verbindlichkeit im Ton redet Gisela Hinnemann in der Sache Klartext. So, wenn es um ihre Vorstellungen in der Sportpolitik geht. "Für die Zukunft wünsche ich mir eine größere Verankerung des Sports in der Schule und zwar nicht darauf beschränkt, dass regelmäßig in allen Schulformen drei Sportstunden gegeben werden, sondern dass dem Sport mit Blick auf die Gesundheitsvorsorge insgesamt eine größere Bedeutung zukommt." Ein anderes Thema von ihr ist die Förderung des Leistungssports. Angesichts der deutschen Olympiabewerbung müsse nicht nur der Breiten-, sondern auch der Leistungssport gefördert werden. Im Gegensatz zu früheren Jahren werde im Sportausschuss "völlig tabulos" auch über die Einrichtung von Eliteschulen gesprochen. Hinnemann hält sie für notwendig, wenn sportlich besonders begabte Schüler ihre Übungszeiten mit dem restlichen Schul-Lehrstoff auf die Reihe bekommen sollen.

    Mathematikstudium

    Gisela Hinnemanns politische Karriere war keineswegs geplant. 1949 in Münster geboren, ist sie in einer politisch interessierten Familie aufgewachsen. Nach Abitur und Mathematikstudium ging sie mit ihrem Mann nach Voerde. Neben dem Beruf galt ihre Energie vor allem der Familie - Mann, Sohn und Tochter - sowie dem Aufbau des Familienbetriebes. CDU-Mitglieder drängten sie, in der Partei mitzuarbeiten. Gisela Hinnemann trat 1988 in die CDU ein und war bereits ein Jahr später Ratsmitglied in Voerde, gleichzeitig Sprecherin der CDU-Fraktion im Schulausschuss. Von1989 bis 1994 arbeitete sie als Geschäftsführerin der CDU-Fraktion im Rat der Stadt und von 1994 bis 1999 war sie stellvertretende Bürgermeisterin von Voerde. Als das Kommunalwahlrecht geändert wurde, lehnte sie eine hauptamtliche Tätigkeit ab und kandidierte kurz darauf für den NRW-Landtag. Abgesichert mit einem guten Listenplatz, kam sie ohne Mühe in das Düsseldorfer Parlament.
    Mit dem Einleben in die neue Parlamentstätigkeit hatte sie keine Schwierigkeit, auch wenn ihr die parteipolitischen Auseinandersetzungen nicht behagen und sie lieber reine Sachpolitik machen würde. "Mit dem Sportausschuss bin ich ganz gut dran, da spielt die Parteipolitik keine allzu große Rolle", sagt sie, während im Kulturausschuss, dem sie ebenfalls als ordentliches Mitglied angehört und im Schulausschuss, wo sie Stellvertreterin ist, die Parteienauseinandersetzungen stärker sind. Zu schaffen macht ihr noch heute die Papierflut, die auf jeden Abgeordneten hereinbricht. "Man kann gar nicht alles lesen, aber ich habe einfach nicht den Mumm, Sachen wegzuwerfen ohne wenigstens mal rein geguckt zu haben", sagt sie, und so türmen sich ab und an die Akten in ihrem Abgeordnetenzimmer.
    Das bisschen Freizeit, das Gisela Hinnemann als Parlamentarierin bleibt, verbringt sie weniger mit Reiten - "dazu gibt es bei uns zu viele Profis" - als vielmehr mit Fahrrad fahren, Schwimmen und Lesen. Außerdem reist sie leidenschaftlich gern.
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN01590

  • Porträt der Woche: Jürgen Thulke (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 12 - 24.09.2003

    Jürgen Thulke trägt stets ein hübsches Souvenir für den Politikwandel in Deutschland bei sich. Wenn er eine Anekdote erzählen will, öffnet er seinen weinroten Aktenkoffer mit ausgeleiertem Verschluss, den er seit zwanzig Jahren trägt, und zieht eine schmale Broschüre hervor. Darauf steht "In Essen ist immer ein Bad im Bau", gedruckt von einer stolzen Stadtverwaltung. Sie stammt aus dem Jahre 1975, als Politik machen noch bedeutete, Geld großzügig auszugeben. Gern erzählt er dann auch vom damaligen "Amt für Entwicklungsplanung", in dem eifrig darüber nachgedacht wurde, wo sich etwas errichten ließe. "Damals wurden ständige neue Einrichtungen gebaut", sagt Jürgen Thulke. "Heute geht es darum, welche Einrichtung geschlossen werden muss."
    Der 64-Jährige ist einer jener altgedienten Landtagsabgeordneten, die den Wandel von der wohlhabenden zur verarmten Politik schmerzvoll miterlebt haben. Seit 38 Jahren ist er Mitglied der SPD, seit vier Legislaturperioden gehört er dem Düsseldorfer Landtag an. In zwei Jahren läuft das Mandat aus, und er wird nicht mehr antreten. "Ich hätte mir das glatt noch mal zugetraut", sagt Jürgen Thulke. Kernig sieht er aus, er ist hoch gewachsen, schlank und braun gebrannt vom Urlaub in Costa Rica. Keinerlei Anzeichen von Stress. Dennoch bezeichnet er sein Alter als "Oberkante" - seine persönliche äußerste Grenze, um die aktive Politikerlaufbahn zu beenden. Den Vorsitz im SPD-Ortsverein Essen-Frintrop hat er im Frühjahr nach 31 Jahren abgegeben. Die Mitglieder haben ihn zum Ehrenvorsitzenden ernannt.
    Zeitenwechsel
    Die vergangenen zwei Jahrzehnte haben durchaus ihre Spuren hinterlassen. Als Abgeordneter werde man ständig gefragt, aufgefordert, um etwas gebeten. Man sei "Ansprechpartner" und "Türöffner". Jürgen Thulke hat den NRW-Parlamentarier stets als Basispolitiker auf höherer Ebene verstanden. Er saß ohne Unterbrechung im Ausschuss für Kommunalpolitik. Der gebürtige Essener und langjährige Ratspolitiker kann viele Begebenheiten erzählen, wo er diesem oder jenem geholfen hat, wie er für die Belange anderer gefochten hat und sich dadurch selbst Einfluss gesichert hat. "Ich bin so etwas wie die personifizierte SPD in Essen gewesen", sagt er nicht ohne Stolz. Jürgen Thulke spricht oft in der Vergangenheitsform, leise Anzeichen eines Abschieds.
    Bei ihm ist herauszuhören, dass das politische Wirken immer komplizierter wird und auch das Image eines tatkräftigen Förderers sich angesichts leerer Kassen schwerlich aufrechterhalten lässt. Früher habe er abgleichen können, was er von dem Zugesagten auch gehalten habe. "Heute kann man nichts mehr versprechen. Man kann sich nicht mehr festlegen", sagt Jürgen Thulke. Ein pathetisches Lamento stimmt er aber nicht an. Dazu ist der Ingenieur der Nachrichtentechnik zu abgeklärt. Nüchtern blickt er auf seine Arbeit und auf eine versunkene Ära in den 80-er Jahren zurück, als kein Gedanke an eine Koalition mit den Grünen verschwendet wurde, weil die SPD noch allein herrschte. "Die absolute Mehrheit war schöner", sagt er.
    Bald kann er die absolute Freiheit genießen. Langeweile wird dabei bestimmt nicht aufkommen. Mit seiner Ehefrau Angelika will er entlegene Winkel der Erde erforschen. Die Reiselust ist bei ihnen daheim nicht zu übersehen. Dutzende von exotischen Masken hängen im Wohnzimmer, groteske Figuren bewachen die Treppe zum Obergeschoss. "Sri Lanka, Malaysia, Bali, Namibia, Kamerun", zählt Jürgen Thulke auf und würde gar nicht mehr aufhören - wenn da nicht eine weitere Leidenschaft wäre: ein kleines Gewächshaus, das innen zugewuchert ist und auf der großzügigen Terrasse im dritten Stockwerk steht. Hier kümmert er sich um tropische Farne und um seine Lieblingspflanze, die Orchidee. "Die ist unverwüstlich", schwärmt er. Orchideen würden sogar auf blankem Fels wachsen. Vielleicht erzählt er dieses biologische Kunststück als neue Anekdote, wenn es wieder einmal um die Gestaltungsfähigkeit von Politik geht.
    Kristian Frigelj

    ID: LIN01731

  • Porträt der Woche: Ralf Witzel (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 11 - 17.07.2003

    Wenn man sich mit dem FDP-Abgeordneten Ralf Witzel zu einem Gesprächstermin im Landtag verabreden will, dann muss man sich auf ein relativ spätes Treffen einstellen. "Nach 17 Uhr können Sie kommen, wann Sie wollen. Ich bin bestimmt bis 22 Uhr im Haus", sagt der Mann, der gerade erst 28 geworden war, als er vor drei Jahren in den Landtag einzog.Der 31- Jährige Essener ist seither der drittjüngste Abgeordnete im Parlament - nach seinem Parteifreund Christian Lindner (24) und dem Kaufmann Thomas Kufen (CDU, 29 Jahre).
    In seinem Heimat-Wahlkreis seien die Leute erst einmal sehr überrascht gewesen. Dort habe er vor allem bei seinem ersten Anlauf als Kandidat für den Landtag 1995 Probleme gehabt, akzeptiert und anerkannt zu werden. Viele lebens- und berufserfahrene Wählerinnen und Wähler hätten damals gesagt, er solle doch erst mal sein eigenes Geld verdienen, sich informieren, wie viele Steuern die Leute zahlen und wie das Geld der Bürger ausgegeben werde.
    Dabei wusste er das freilich schon recht früh: Nach dem Abitur 1991 am Essener Stadtwald-Gymnasium und dem Besuch der Höheren Handelsschule für Wirtschaft und Verwaltung studierte er Betriebswirtschaftslehre. Das führte ihn nach dem Examen und der Diplomarbeit geradewegs zum Baukonzern Hochtief, wo er seit dem Herbst 1999 als Personalreferent für Führungskräfteentwicklung arbeitet. Eine Doppelbelastung neben der Abgeordneten-Tätigkeit? "Nein", sagt Ralf Witzel, "das eine profitiert vom anderen, doch Sie brauchen sehr viel Disziplin." Und das führt dann - siehe oben - zu langen Abenden im Landtag.
    Nach drei Jahren dort und viel Überzeugungsarbeit hat er dazugelernt und ist auch selbstbewusster geworden: "Wenn ich mit der Fachöffentlichkeit im Bildungsbereich rede, dann habe ich den Eindruck, dass ich als kompetenter Ansprechpartner respektiert werde." Überhaupt ist es schwer, in einem Gespräch mit Ralf Witzel nicht früher oder später auf das Thema Bildung zu kommen - mit Abstand Witzels Lieblingsthema, schließlich ist er bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Dann könnte er sich in Fahrt reden, die steigenden Schülerzahlen und die schlechte Bildung im Vergleich zu früher beklagen, dass NRW hier auf einem Niveau mit Mexiko stehe, dass Lehrer und Schüler viel zu schlecht motiviert seien und dass den Lehrern viel praktische Erfahrung fehle.
    Und wenn er mal wieder über Bildung spricht, dann denkt er auch immer wieder an seine eigene Schulzeit zurück: "Wir hatten einen außerordentlich lebendigen Politikunterricht, haben Podiumsdiskussionen in der Klasse gemacht." Immer, wenn zwei Schüler in Pro- und Contra-Runden gegeneinander antreten mussten, dann war Witzel einer der ersten, der sich gemeldet hat. Damals habe er mehr und mehr festgestellt, dass seine Vorstellungen inhaltlich mit denen der FDP am besten zusammenpassten. Elterliche Vorbelastungen habe es nicht gegeben, auch keine Einflüsse aus dem Freundeskreis. Und so kam es, dass er schon 1986 in den Parteijugendverband der FDP eintrat. Das war an seinem 14. Geburtstag. "Ich habe mich furchtbar geärgert, dass ich noch zwei Jahre warten musste, bis ich dann bei der richtigen Partei mit 16 mitmachen durfte." Inzwischen hat es der Autor des Buchprojektes "Bürgergeld rettet Arbeitsmarkt" bis zum Landesvorsitzenden der Jungen Liberalen und zum Vorsitzenden der Essener Freidemokraten gebracht. Seit fast zehn Jahren ist er Mitglied des FDP-Landesvorstandes.
    Für private Dinge außerhalb seiner Hauptbeschäftigungen als Landespolitiker und Personalreferent bleibt dem Single Ralf Witzel nicht viel Zeit. Gerne besucht er Fußballspiele seines Lieblingsvereins, dem 1. FC Köln, oder genießt einen Theater- Abend. Gerne lässt er sich bekochen, denn bei ihm zu Hause gilt das Motto "Tüte auf, Wasser drauf". Witzel: "Es gibt einige Dinge, die sollte man besser denen überlassen, die sich damit auskennen."
    Ralph Goldmann

    ID: LIN01781

  • Porträt der Woche: Marianne Hürten (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 02.07.2003

    Sie sei "echtes, grünes Urgestein", sagen Fraktionskollegen von Marianne Hürten - und da schwingt Bewunderung mit. Denn auch wenn die 50-jährige Abgeordnete in den eigenen Reihen zuweilen als schwierig gilt, so hat sie sich dennoch längst den Ruf einer Politikerin erworben, die aufrecht und unbeirrt "ihr Ding" macht - und es gut macht. "Ihr Ding", das ist vor allem die Frauenpolitik.
    Marianne Hürten ist offen und freundlich, etwas herb und humorvoll. Sie sitzt auf dem Sofa ihres Abgeordnetenbüros, ganz vorn auf der Kante. Vor sich den großen Tisch, mit Tassen, der Kaffeekanne und einer Schale Süßigkeiten. Sich einfach entspannt zurücklehnen, das ist ihre Sache nicht, selbst bei einem Interviewtermin.
    Mit 16 begann Marianne Hürten als Chemielaborantin bei Bayer Leverkusen, und dass sie auch gleich Gewerkschaftsmitglied wurde, war keine Frage. Die junge Frau engagierte sich in der Gewerkschaftsjugend, wurde Jugendvorsitzende und riskierte immer wieder Konflikte mit der Führungsriege des Betriebsrats. Die empfand sie als autoritär - schon damals war das nichts für die streitbare Gewerkschafterin. So kandidierte sie auf einer oppositionellen Liste (Opposition, so hieß in Gewerkschaftskreisen alles, was nicht SPD war) und wurde selbst Betriebsratsmitglied. Ein Amt, das sie immer noch bekleidet.
    Marianne Hürtens politisches Engagement abseits der Gewerkschaftsarbeit begann in der Umweltpolitik. Anfang der 80-er Jahre rückte die Verklappung von Dünnsäure ins öffentliche Bewusstsein. Auch die Bayer AG entsorgte damals ihre chemischen Flüssigabfälle in der Nordsee. Ein Skandal, fand Marianne Hürten, und bezog auf Flugblättern Stellung gegen den eigenen Arbeitgeber. Als die Grüne Partei entstand, gehörte sie zu den ersten Mitgliedern in NRW.
    Seit 13 Jahren sitzt sie nun für die Grünen im Landtag. Sie zählt sich zum linken Rand ihrer Partei. 1999 sprach sie sich in der Garzweiler-Frage klar gegen die Fortführung der Koalition mit der SPD aus. Doch damit war sie in der Minderheit. Kein Einzelfall. Immer wieder fand sich Marianne Hürten mit ihren politischen Positionen in der eigenen Partei ohne Mehrheit - etwa wenn es um die Bedingungen des Atomausstiegs oder die Kriegsbeteiligung im Kosovo ging.
    Eigene Positionen
    Regieren nicht um jeden Preis - das ist auch heute noch ihre Überzeugung: "Ich bin nicht so schnell bereit, alles mitzumachen, nur um die Regierungskoalition mit der SPD zu erhalten." Schon in der Gewerkschaftsarbeit habe sie die Erfahrung gemacht, dass auch aus einer Oppositionsrolle heraus einiges bewegt werden könne.
    Marianne Hürtens Leib- und Magenthema ist die Frauenpolitik. Sie ist überzeugt, Frauen werden heute noch immer stark benachteiligt, vor allem auf dem Arbeitsmarkt. "Jetzt, wo die öffentlichen Mittel knapp sind, wird vermehrt bei den Programmen gespart, die Frauen betreffen. Zum Beispiel gibt es keine Fördermaßnahmen zur Wiedereingliederung nach der Familienphase mehr. Dabei waren die sehr erfolgreich." Und was ist aus den guten alten Begriffen wie "Emanzipation" und "Feminismus" geworden? Kann man damit heute keine Frauenpolitik mehr machen? "Junge Frauen finden, dass die Emanzipation erreicht ist.Und was den Feminismus angeht fühle ich mich als Feministin, aber auch da habe ich den Eindruck, dass junge Frauen mit dem Begriff nichts anfangen können. Da muss man viel erklären, wie beim Gender Mainstreaming auch. Und weil ich keine Labels verkaufen will, sondern Probleme erkennen und Lösungen erarbeiten will, ist mir das mit den Begriffen letztlich egal."
    Als Ausgleich zur politischen Arbeit liest Marianne Hürten Krimis - gleich haufenweise, abends, vor dem Einschlafen. Und zu Hause im Oberbergischen ist die Grüne gemeinsam mit ihrem Mann Mitglied in einen Golfclub. Sie liebt das Golfspielen, einfach weil es Bewegung und viel frische Luft bringt. Aber natürlich gibt es in ihrem Politikerdasein viel zu wenig Zeit dafür.
    Beate Becker

    ID: LIN01822

  • Porträt der Woche: Werner Jostmeier (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 18.06.2003

    Für ihn hat die Europa-Politik einen sehr hohen Stellenwert und so ärgerte sich denn seinerzeit Werner Jostmeier über deren "personelle Abwertung" bei der Konstituierung der neuen Landesregierung unter Ministerpräsident Peer Steinbrück. Während bislang ein eigenständiges Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten existierte, sollen sich heute Staatskanzleiminister Kuschke und Staatssesekretärin Meckel um Europa kümmern. Der CDU-Landtagsabgeordnete aus dem münsterländischen Dülmen weist in diesem Zusammenhang mit Blick auf die anstehende Osterweiterung auf die wachsende Bedeutung Europas für Nordrhein- Westfalen hin. Der Christdemokrat zählt übrigens zu den Mitbegründern der Deutsch-Baltischen Parlamentariergruppe, deren stellvertretender Vorsitzender er heute ist.
    Der 52-Jährige kann bis zu seiner Wahl in den Landtag 1995 auf einen bislang sehr wechselvollen Weg zurückblicken. Nach dem Besuch der Grundschule und des Gymnasiums wechselte der gebürtige Dülmener zur Handelsschule, die er mit der Fachschulreife verließ, um eine Lehre als Schmied und Landmaschinenmechaniker zu absolvieren. Danach arbeitete er mehrere Jahre im elterlichen Betrieb. Während Werner Jostmeier ihn leitete und ausbaute, machte er über den zweiten Bildungsweg das Abitur und studierte in Münster Jura, Volkswirtschaft und Geschichte. Nach dem zweiten Staatsexamen ließ er sich als Rechtsanwalt nieder. Zur Deutschen Bundespost und späteren Telekom stieß der Dülmener 1983. In den folgenden Jahren bis zu seiner Wahl in den Landtag übernahm er die verschiedensten Aufgaben, zuletzt leitete er das Dienstleistungszentrum Personal des Unternehmens in Münster mit seinen über 170 000 Mitarbeitern.
    Während des Studiums trat er 1972 in die CDU ein. Als Gegner der vom damaligen Bundeskanzler Willy Brandt initiierten Ostverträge wollte er "Flagge zeigen", wie er sich heute erinnert. Es folgte die Übernahme verschiedener Parteiämter. Heute ist der Münsterländer stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbandes Coesfeld und des Bezirksverbandes. Eine Zeitlang war er auch Kreisvorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA).
    Weichenstellungen
    Vor seiner Wahl in das Landesparlament engagierte sich Werner Jostmeier mehrere Jahre als Mitglied des Kreistages Coesfeld in der Kommunalpolitik. So war er Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses wie auch des Wirtschaftsförderungs- und Finanzausschusses. Neigung und vorhandene Plätze passten im übrigen auch bei seiner Berufung in die Landtagsausschüsse. Der Volljurist gehört dem Medien- und dem Hauptausschuss ebenso an wie dem Ausschuss für Europa- und Eine-Welt- Politik. Im damaligen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Klärung der Vorgänge beim Oberhausener Trickfilmstudio HDO zählte er zu einer wesentlichen Stütze seiner Fraktion.
    Als Sprecher seiner Fraktion im Hauptausschuss gehört der Christdemokrat automatisch auch dem Fraktionsvorstand an. In diesem Zusammenhang weist er mit Genugtuung auf die entscheidenden Weichen hin, die der Hauptausschuss für eine Reihe von gewichtigen Vorhaben des Parlamentes gestellt hat: Stärkung der Bürgerrechte, Verkleinerung des Landtags, Aufnahme der Kinderrechte und des Tierschutzes in die Landesverfassung. Derzeit engagiert sich der Parlamentarier für das so genannte Konnexitätsprinzip, also, "wer bestellt, bezahlt auch". Bei Gesetzen und Verordnungen des Landes, die die Kommunen finanziell tangieren, müsse es auch die Kosten tragen.
    Neben der Parlamentsarbeit pflegt der CDU-Abgeordnete den Kontakt zu den Bürgern seines Wahlkreises Coesfeld II. So ist sein Wahlkreisbüro ständig besetzt und er bereist auch regelmäßig alle Orte.
    Der Vater von vier Söhnen hört in seiner Freizeit gern Musik, spielt aber auch selber Gitarre Akkordeon und Trompete. Und wenn es nötig ist, fährt der Dülmener auch noch den Mähdrescher.
    Jochen Jurettko

    ID: LIN01866

  • Porträt der Woche: Klaus Strehl (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 06.06.2003

    Donnerwetter, ein selbstbewusster Raucher, betritt der Mann doch tatsächlich Zigarette qualmend einen engen Aufzug! So schoss es Klaus Strehls späterem Gesprächspartner durch den Kopf. Man war verabredet, kannte sich aber noch nicht bei der ersten Begegnung im Fahrstuhl. Ein knappes wechselseitiges "Guten Tag", dann stieg der Unbekannte aus. Wenig später folgte das verabredete Treffen in Strehls Parlamentarier-Büro. Die Begrüßung fällt freundlicher aus als vorher im Lift. Die Anonymität ist aufgehoben, der Gast erlebt einen angenehmen Gesprächspartner, mit dem sich anregend über große und lokale Politik, über Reisevorlieben, über Gott und die Welt plaudern lässt.
    Es war am Tag nach der Befreiung Bagdads. Strehl, ein Gegner des Irak-Krieges wie die meisten seiner Landsleute, räumt ein, dass ihn die Szenen mit jubelnden, glücklich von Saddams Joch befreiten Menschen ins Grübeln gebracht hätten: "Die Freude der Iraker war ja nicht gestellt. Da kommt man als zuvor strikter Kriegsgegner doch etwas ins Nachdenken über den englischen und amerikanischen Militäteinsatz."
    Strehl, der 1943 in Fulda geboren wurde (die Eltern waren kriegsbedingt aus Oberhausen evakuiert worden) und seit 50 Jahren in Bottrop lebt, kennt die Vereinigten Staaten von mehreren privaten Besuchen, die er mit seiner Frau unternommen hat. Das Ehepaar, seit 36 Jahren miteinander verheiratet, fuhr mit Mietwagen von den Neuengland-Staaten kreuz und quer über den Kontinent. Ein Abstecher galt der kanadischen Metropole Vancouver, in der Strehls Tochter ein Jahr lang ihre Ausbildung veredelte. Die Tochter ist heute Diplomkauffrau, Fachrichtung Statistik. Strehl, der ein bodenständiger Ruhrgebietsmensch ist und auch als junger Bursche nie ans Auswandern gedacht hat, schwärmt von Vancouver am Pazifik: "Schöner noch als San Francisco oder San Diego."

    Wurzeln im Kommunalen

    Auch politisch ist Strehl, der es als Raucher in den USA verdammt schwer gehabt hat, nie antiamerikanisch gewesen. Das deutsch-amerikanische Verhältnis müsse nach dem Ärger der Vergangenheit verbessert werden. Deutschland sei jedoch gegenüber den USA nicht zum Gehorsam verpflichtet. Er traut seinem Parteifreund und Kanzler zu, dass ihm die politische Klimaverbesserung mit Hilfe der pragmatischen Amis gelingt. Von Schröders Qualitäten ist Strehl überzeugt. 1966 trat er als Spross eines katholisch geprägten Elternhauses (sein Vater pendelte als Wähler von der CDU zur SPD und umgekehrt) in die SPD ein - wegen des Visionärs Willy Brandt und wegen des forschen Machers Helmut Schmidt.
    Politisch zu Hause ist Strehl in der Kommunalpolitik. Seit 1975 gehört er dem Rat der Stadt Bottrop an, seit zwölf Jahren führt er die SPD-Fraktion. Die Arbeit als Landtagsabgeordneter (seit 1985) empfindet der Sozialdemokrat, der sich nie zu den "68ern" zählte, als ideale Ergänzung kommunalpolitischer Tätigkeit. Die Verknüpfungen zwischen Kommunal- und Landespolitik bezeichnet er als exorbitant. Strehl ist einer jener handfesten politischen Akteure, denen allzu langes Quatschen nicht behagt, die lieber schnell nach Lösungen und Ergebnissen streben. Strehl hat es gerne, wenn etwas passiert. Spaß macht ihm der Vorsitz im Ausschuss für Umweltschutz und Raumordnung: "Das ist mehr Kür als Pflicht, Raumordnung - da ist noch action drin."
    Irgendwann während der Unterhaltung klingelt das Telefon. Strehl schnappt den Hörer, kommt fix zur Sache, ist knapp und bestimmt. Solch einem Politiker müsste ein Regierungsamt Freude machen. Lust zu regieren hätte er schon gehabt, das ist spürbar, jedoch auch sein Talent, nicht lange zurückzuschauen: tempi passati: "Ich bin jetzt 59", sagt der Stadtrat und Landesparlamentarier und deutet an, dass er politisch zufrieden ist mit dem, was ist.
    Geschichte ist Strehls Hobby, er verschlingt historische Lektüre, greift auch zu Belletristik. Abfahrtski gehört zu seinen sportlichen Aktivitäten, ausgiebiges Wandern zuhause und im Urlaub ebenso.
    Ein wichtiges privates Ziel ist angepeilt: Der Mann, der oft zur HB greift, will sich das Rauchen abgewöhnen.
    Reinhold Michels

    ID: LIN01911

  • Porträt der Woche: Inge Howe (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 7 - 28.05.2003

    In dem grauweißen Abgeordnetenzimmer fällt das farbenfrohe Bild an der Wand sofort auf - das Geschenk einer Petitentin an Inge Howe. Kein anderes Kunstwerk mag die Abgeordnete daneben hängen. Und wenn sie die Geschichte der Künstlerin erzählt, steigen Tränen der Rührung auf - aber nur ganz kurz.Nach tragischen Schicksalsschlägen hatte die aidskranke Malerin Hilfe beim Petitionsausschuss gesucht - und landete bei Inge Howe. Sie wollte sich in ihrem Beruf als Erzieherin gestörter Jugendlicher selbständig machen, weil öffentliche Träger sie nicht anstellen wollten."Wir konnten der Frau formal nicht helfen, aber sie hat mich so beeindruckt, dass ich nicht locker gelassen habe und einen Besuch des Ausschusses bei ihr organisiert habe. Das allein brachte dann doch einiges ins Rollen, und heute ist ihr Problem gelöst."
    Inge Howe ist der Kontakt mit Menschen und auch das Helfen ein echtes Bedürfnis - und beides zieht sich wie ein roter Faden durch ihre politische und berufliche Biografie. Die beginnt mit einer Ausbildung als Krankenschwester in Minden. Zügig nimmt Inge Howe die Karrierestufen, wird Stationsleiterin, später stellvertretende Klinik-Pflegedienstleiterin. Die Sorgen der Mitarbeiter, aber auch selbst erlebte und als ungerecht empfundene Entscheidungen "von oben" führen sie in die Gewerkschaftsarbeit und den Personalrat. 1989 wird sie die erste freigestellte Personalrätin des großen Mindener Klinikums. Sie erfährt: "Man kann nur etwas verändern, wenn man politisch Einfluss nimmt. Und das geht am Besten, wenn man in die Politik geht." So wird Inge Howe 1990 Mitglied der SPD.

    Eigene Akzente

    Und wieder beginnt, was die Abgeordnete auch im Rückblick immer noch etwas zu verwundern scheint: ihr stetiger Aufstieg. Vom Ortsvereinsmitglied zum Sitz im Parteirat der Bundes-SPD braucht sie acht Jahre. Dabei ist Politik nicht alles im Leben von Inge Howe. 1998 beginnt die damals 46jährige - sie ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn - ein berufsbegleitendes Studium im Fach Pflegemanagement. Im Jahr 2000 wird sie zur Kandidatin für den Landtag nominiert. Sie schafft den Einzug und legt beim ohnehin traditionell guten SPD-Wahlergebnis in ihrem Wahlkreis noch ein wenig zu.
    Inge Howe empfindet sich als Quereinsteigerin und sieht ihre 30jährige Berufserfahrung als Fundament ihrer politischen Arbeit im Landtag. Und wie erlebt sie ihre Möglichkeiten, im großen Politikapparat Landtag tatsächlich eigene Akzente zu setzen? "Idealismus ist nicht umsetzbar, das ist mir schnell klargeworden. Aber in den Ausschüssen kann man eine ganze Menge einbringen und auf Gesetzgebungsverfahren Einfluss nehmen." Neben dem Petitionsausschuss ist Inge Howe auch Mitglied im Frauenausschuss und dort mittlerweile Vorsitzende. Besonders stolz ist sie auf das neue Gewaltschutzgesetz, mit dem Frauen vor häuslicher Gewalt durch den Partner in Zukunft besser geschützt werden können. Das Gesetz ist nun verabschiedet, "doch wir müssen es noch vor Ort besser kommunizieren, zum Beispiel mit Runden Tischen". Ein weiteres großes Projekt: Gender Mainstreaming. Hinter dem Anglizismus verbirgt sich die alte Forderung nach der Gleichberechtigung der Geschlechter. Neu daran: Es wird nicht generell die Benachteiligung von Frauen vorausgesetzt - auch benachteiligte Männer werden als Opfer ernst genommen. Inge Howe sind solche Erfahrungen in ihrer Karriere weitgehend erspart geblieben. Im Gegenteil: "Ohne die Förderung durch meine männlichen Kollegen wäre ich nicht da, wo ich heute bin", sagt sie.
    Ihre gesundheitspolitischen Ambitionen vertritt die Einundfünfzigjährige in der "Enquete-Kommission für eine frauengerechte Gesundheitsversorgung in NRW". Gerne hätte die neue Abgeordnete auch im Gesundheitsausschuss Platz genommen, um ihr Leib- und Magenthema Gesundheitspolitik zu beackern. Doch das war in dieser Legislaturperiode nicht drin. Deshalb lauten ihre Pläne für die Zukunft: "Wieder das Mandat gewinnen - und dann einen Platz im Gesundheitsausschuss übernehmen."
    Beate Becker

    ID: LIN01994

  • Porträt der Woche: Dr. Axel Horstmann (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 6 - 14.05.2003

    Es ist ein besonderer Moment, als Axel Horstmann gewagt mit seinem Stuhl wippt. Eine Stunde hat er entspannt in seinem Büro gesessen, geplaudert und Tee getrunken. Doch als die Sprache auf den Metrorapid kommt, lehnt der groß gewachsene, kräftige Mann sich zurück und kippelt minutenlang auf den hinteren Stuhlbeinen. Der Minister signalisiert maximale Lässigkeit bei seinem heikelsten politischen Thema. Es ist ein Balanceakt, der den Betrachter zu Interpretationen verleitet. Als Metrorapid-Minister muss er gewissermaßen mit instabilen Lagen zurechtkommen, sei es in der rot-grünen Koalition oder bei Finanzierungsabsprachen mit dem Bund.
    Eigentlich umfasst sein Ministerium die Ressorts Verkehr, Energie und Landesplanung. Doch der Metrorapid ist ein Zuständigkeitsbereich, den er wie keinen anderen im Auge behalten muss. Es ist das ambitionierteste und umstrittenste Projekt der Landesregierung, beflügelt von Hoffnungen, aber auch befrachtet mit Skepsis. Axel Horstmann zeichnet einiges für diesen schwierigen Job aus, den er im November vergangenen Jahres übernommen hat: Der 48- Jährige ist ein eloquenter Stratege, er gilt als verlässlich und als harter Hund beim grünen Koalitionspartner. In der Landesregierung stieß man bei der Suche schnell auf den Herforder, auch weil er zu den wenigen ministrablen Abgeordneten in der SPD-Landtagsfraktion gehört.
    Der Mann mit dem Bart und der Brummstimme eines Seebären ist einer derjenigen, die inmitten sozialdemokratischer Übermacht politisch sozialisiert wurden. 1972 trat der Sohn eines Werkzeugmachers in die SPD ein, mitgerissen von der "Willy-Welle", die Bundeskanzler Brandt ausgelöst hatte. Er war im Rat seines ostwestfälischen Geburtsortes Enger aktiv und ab 1987 Kämmerer und Stadtdirektor von Detmold. In jener Zeit sei die Erkenntnis gereift, dass die politische Arbeit sich nicht mehr allein als Ehrenamt bewältigen lasse, sagt Axel Horstmann. Da war er bereits auf dem Weg zum Berufspolitiker.
    1995 errang der promovierte Wirtschaftswissenschaftler das erste Direktmandat für den Landtag. Seine Karriere wurde katapultartig beschleunigt, als ihm ein halbes Jahr später der Posten des Landesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales angetragen wurde. Axel Horstmann mühte sich, doch die Forensik-Problematik setzte ihm zu: die Proteste gegen den favorisierten Klinik-Standort Herten, dann der spektakuläre Ausbruch eines Sexualverbrechers. Axel Horstmann erklärte 1998 seinen Rücktritt. "Für so etwas muss man Verantwortung übernehmen. Das muss man in solch einer Kleidergröße wissen", sagt er.
    Seinem parteipolitischen Einfluss war jene Niederlage begrenzt abträglich. Er behielt als Vorsitzender der SPD-Region Ostwestfalen- Lippe eine wichtige Machtposition und wurde Fraktionsvize in der Landtagsfraktion. Er wurde zudem als Generalsekretär der neu geordneten Landes-SPD ins Gespräch gebracht, übernahm dann im vergangenen Jahr letztlich das Amt des Schatzmeisters. Zuweilen wird ihm nachgesagt, zu theorielastig zu sein. Solchen Eindrücken kann Axel Horstmann jedoch entgegenwirken, wenn er beispielsweise von seinem Motorrad schwärmt. Man kann ihn sich in Lederkombi gut vorstellen. Leider habe er im vergangenen Jahr mit der Yamaha gerade einmal 1.200 Kilometer geschafft. Das sei zu wenig, sagt der Minister. Selbst beim Joggen kommt er da übers Jahr betrachtet weiter. Etwa 30 Kilometer läuft er pro Woche, stets eine charmant formulierte Mahnung seiner Frau im Ohr: "Was hält eine Liebe aus? Höchstens hundert Kilo", hat sie ihm einmal gesagt. Das wirkt. Ohnehin legt der dreifache Vater großen Wert aufs Familienleben und gönnt sich Verschnaufpausen. "Ich nehme Urlaub sehr ernst", sagt der passionierte Segler und klingt ebenso fest entschlossen wie bei seiner Metrorapid- Mission.
    Kristian Frigelj

    ID: LIN02044

  • Porträt der Woche: Marie-Theres Kastner (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 5 - 09.04.2003

    Marie-Theres Kastner ist Pragmatikerin. Der CDU-Landtagsabgeordneten geht es um handfeste Sachpolitik. Erst seit Mai 2000 im NRW-Landtag, hat sich die Unionsfrau schon mit zwei eigenen Initiativen hervorgetan. Zum einen brachte sie einen ziemlich umfangreichen Antrag zur Stärkung des Ehrenamtes ein, weil sie glaubt, dass der Staat nicht alles richten kann, sondern gefordert ist, ehrenamtliche Tätigkeit zu unterstützen. Zum anderen machte sie mit einem Antrag über die notwendige zusätzliche Förderung von lernbehinderten Schülerinnen und Schülern von sich reden, der vor allem bei den Fachverbänden auf Zustimmung stieß. In beiden Fällen weiß die 52-Jährige, wovon sie spricht. Sie ist Expertin in diesen Bereichen. Denn Kastner, die sich als "Familienfrau" bezeichnet, ist seit 1989 Ratsmitglied in Münster. Damit hat sie ein gutes Gespür dafür erworben,wo die Bürger der Schuh drückt.
    Und als ausgebildete Lehrerin, Frau eines Lehrers und zudem Mutter von vier Kindern, ist ihr die Schulproblematik sehr vertraut. Bei ihrem Schulantrag ging es ihr darum, dass in den Schulen für Lernbehinderte die Klassen immer größer, und die individuelle Förderung dieser Kinder immer geringer werde. Gerade wegen der schwierigen sozialen Verhältnisse vieler Kinder brauchten die Lehrerinnen und Lehrer fachkundige Hilfe durch zusätzliche Schulpädagogen. Auch handwerkliche Schwerpunkte müssten im Unterricht gesetzt werden, forderte sie und fügte hinzu: "Damit ich nicht missverstanden werde, ich möchte diese Vertreter des Handwerks nicht an Stelle von Lehrerinnen und Lehrern, sondern zusätzlich und auch nicht erst im letzten Schuljahr, sondern schon ab der 7. Klasse."

    "Gut aufgehoben"

    Von ihren CDU-Fraktionskollegen fühlt sich Marie-Theres Kastner gut unterstützt. "Ich bin in eine Fraktion gekommen, in der ich das Gefühl habe, menschlich sehr gut aufgehoben zu sein", sagt die Christdemokratin. Gleichzeitig räumt sie aber auch ein, dass sie sich anfangs mit dem Einleben schwer getan habe. Immerhin ist sie auf Anhieb in die beiden Ausschüsse gekommen, die sie sich gewünscht hatte: den Schulausschuss und den Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie. Nachdem die erste Halbzeit der Legislaturperiode um ist, kann sich die CDU-Abgeordnete gut vorstellen, noch eine zweite Legislaturperiode in Düsseldorf zu verbringen.
    Während des Studiums in Würzburg ist sie mit ihrem späteren Mann in die CSU eingetreten. Doch das sei nicht "so das Richtige" gewesen. Erst als die beiden nach dem Studium wieder nach Münster gezogen waren, hätten sie sich mit dem Amtsantritt von Bundeskanzler Helmut Kohl für die CDU entschieden. Seither ist sie in der Partei aktiv. Auch die Posten in der lokalen Politik kamen dann rasch aufeinander. 1995 avancierte sie schließlich zur Bürgermeisterin der Stadt.
    Diesen Job und auch ihre Ratsmitgliedschaft hat Kastner mit ihrem Einzug in den Landtag aufgegeben. "Ich finde, die Aufgaben überschneiden sich. Beides kann man nicht machen. Ich bin nur noch sachkundige Bürgerin im Schulausschuss und als Landtagsabgeordnete kooptiert in der CDU-Stadtratsfraktion." Damit habe sie die notwendige Anbindung an die Basis und sei doch nicht gebunden, erläutert die CDU-Frau ihre Haltung.
    Als Landtagsabgeordnete aus Münster fühlt sie sich ihrer Region verbunden. Gleichzeitig sieht sie sich aber doch auch als Volksvertreterin des ganzen Landes."Natürlich vergesse ich meinen Wahlkreis nicht, aber ich hielte es für unverantwortlich, wenn man nicht das Ganze sähe." Als "Familienfrau" und weil sie stark der Heimat verbunden ist, pendelt die Parlamentarierin, auch wenn es abends spät wird, immer von Düsseldorf nach Münster zurück. Viel Freizeit bleibt da nicht. Marie-Theres Kastner nimmt es gelassen: "Ein spannendes Buch und die Familie, das reicht als Hobby."
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN02101

  • Porträt der Woche: Gabriele Kordowski (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 4 - 26.03.2003

    Gabriele Kordowski strahlt fröhlichen Optimismus aus. Die CDU-Abgeordnete aus Schwerte ist fest davon überzeugt, dass ihre Partei die längste Zeit in der Opposition verbracht hat und 2005 ein Regierungswechsel ansteht. "Ich bin wirklich sicher, dass die Menschen langsam mitbekommen, dass hier im Land an vielen Stellen die Weichen falsch gestellt werden und dass politisch etwas passieren muss", sagt die 49-jährige und lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie in dem Augenblick, da dies geschieht, gern mit von der Partie sein möchte.
    Zunächst ist Gabriele Kordowski aber noch eine der Neuen, die im Mai 2000 für die 13. Legislaturperiode in den Düsseldorfer Landtag gewählt wurden. Allerdings hat sie sich rasch eingelebt und zielsicher ihr gewünschtes Betätigungsfeld im Landesparlament gefunden. Besonders wichtig war es für die Frau aus dem Ruhrgebiet, als ordentliches Mitglied in den Verkehrsausschuss zu kommen. "Jeder Autofahrer kennt die Probleme im Bereich der A 1 am Westhofener und am Kamener Kreuz", erklärt sie und listet auch gleich die regionalen Schwierigkeiten der Umleitung sowie des Aus-, Um- und Weiterbaus des Verkehrswegenetzes in ihrer Heimatstadt Schwerte auf.
    Außerdem arbeitet die CDU-Frau im Rechtsausschuss und in der Strafvollzugskommission mit. Beide Gremien sind für sie wichtig, weil sowohl die Justizvollzugsanstalt in Schwerte-Ergste als auch Europas größte Haftklinik in Fröndenberg in ihrem Wahlkreis liegen. Vor allem die Besserstellung der Beamten im Strafvollzugsbereich möchte Gabriele Kordowski erreichen: "Das liegt mir am Herzen", sagt sie. "Die JVA-Beamten haben keine Lobby und leisten eine unglaublich wichtige Arbeit für unsere Gesellschaft", erläutert sie.
    Das soziale Engagement liegt der Christdemokratin im Blut. Aufgewachsen als jüngstes von fünf Kindern in einem politisch, aber nicht parteipolitisch interessierten Elternhaus, machte Gabriele Kordowski nach der Schule eine Ausbildung als Krankenschwester. Durch eine Zusatzausbildung wurde sie OP-Schwester. Gabriele Kordowski ist mit einem Frauenarzt verheiratet und hat vier Kinder.

    Soziales Engagement

    Mitglied in der CDU wurde sie bereits 1984. 1991 übernahm sie den Vorsitz des Stadtverbandes Schwerte, seit 1995 ist sie stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbandes Unna, seit 1999 Mitglied des Bezirksverbandes Ruhrgebiet und des Landesverbandes NRW der CDU. Schließlich wurde sie 1999 Stadtverordnete im Rat der Stadt Schwerte.
    Folgerichtig war der nächste Schritt die Kandidatur für den NRW-Landtag. Über Liste - wie alle CDU-Abgeordneten aus dem Ruhrgebiet - ist sie in den Landtag eingezogen. Die Gruppe der CDU-Ruhrgebiets-Abgeordneten hat ihr bei den ersten Wegen im Parlament geholfen. "Das ist eine tolle Gruppe, in der man sich sofort wohl fühlt. "Die dienstälteren Kollegen haben sofort Hilfe angeboten und sich um mich gekümmert, erinnert sie sich fröhlich, meint aber auch, dass sie inzwischen zu den Kollegen der anderen Fraktionen gute Kontakte hat.
    Zu Hause in Schwerte hat sie mitten in der Fußgängerzone ein Wahlkreisbüro eingerichtet. Das ist vormittags ständig besetzt. Dort hat sie auch feste Sprechzeiten. "Mein Büro soll eine Anlaufstelle für die Bürger sein, wo sie ohne Hemmschwelle hinkommen, mit mir reden können." Dass sie viel Spaß an ihrem Abgeordnetendasein hat, nimmt man Gabriele Kordowski ab. Dafür nimmt sie gern in Kauf, dass für die Freizeit weniger Zeit bleibt. Die verbringt sie dann mit der Familie, mit Schwimmen und Reisen und natürlich mit dem Berner Sennenhund Kimon, mit dem sie - oder besser - der mit ihr spazieren geht.
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN02159

  • Porträt der Woche: Manfred Böcker (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 3 - 05.03.2003

    Da sitzt ein Mensch aus dem Lipperland im Landtagsbüro seinem Gast gegenüber. Also kommt zunächst einmal die lippische Sparsamkeit (es muss ja nicht gleich Geiz heißen) zur Sprache. Manfred Böcker kennt die Geschichte vom Kupferdraht. Den, so heißt es, habe ein Lipper erfunden, nachdem er einen guten alten Pfennig solange zwischen den Fingern drehte, bis aus dem Rundstück ein Draht wurde. Manfred Böcker, der 1940 in Essen geboren wurde, in der Nähe von Detmold aufwuchs, erwähnt auch den begnadeten Merker und Geschichtenerzähler Johannes Rau. Von dem stamme folgende Anekdote über die NRW-Schotten: Als darüber verhandelt wurde, ob nun das Lipperland zu Niedersachsen oder zu Nordrhein- Westfalen komme und als nach einem Sitzungsmarathon die Düsseldorfer Delegation den lippischen Präsidenten bat, nun doch für eine Erfrischung zu sorgen, ließ der die Fenster öffnen.
    Ein starkes Gefühl der Eigenständigkeit bewegt die lippischen Menschen, die lange in einem Fürstentum und hernach im Freistaat Lippe zu Hause waren. Böcker erzählt schmunzelnd von den regelmäßigen Warnungen der Lipper an das Rest-Nordrhein-Westfalen: "Seid auf der Hut, wir können uns innerhalb von vier Wochen für selbstständig erklären, in Detmold stehen schließlich noch Parlaments- und Regierungsbauten".
    Böcker bezeichnet sich als ein Fossil des Parlaments. Seit 1980 ist er direkt gewählter Abgeordneter. Im Jahre 2000 verbesserte Böcker sein eigenes Wahlkreis-Ergebnis gegen den Trend. Er plädiert für eine gute Mischung zwischen jungen und älteren Parlamentariern: "Nur jung und dynamisch - das reicht nicht." Er, der "noch bis 2005 einen Vertrag" hat, spricht von persönlichem Unbehagen, wenn er die zunehmende Zahl von Politikern ohne berufliche Erfahrung beobachte: "Das ist nix."
    Bevor der Vater von zwei Söhnen als Lehrer in Augustdorf bei Detmold arbeitete, hatte er sich beruflich bei Fluggesellschaften in der Flugsicherung betätigt. Der Schichtdienst bei der Flugsicherung in Frankfurt und sein unruhiger Geist waren es, die ihn ein Studium beginnen ließen und die ihn mit der aktiven Politik in Berührung brachten. Als Arbeiterkind, das einst mit dem jungen Schröder dieselbe Schule besuchte, wählte Böcker die SPD. Es folgte die sprichwörtliche Ochsentour.

    Moderator

    Politik ist für ihn eine Sucht. Noch immer macht es Manfred Böcker Spaß, mit unterschiedlichsten Menschen zusammen zu kommen. Er moderiert gerne und ist zufrieden, wenn die Gesprächspartner nach einem Treffen mit ihm zufrieden nach Hause gehen.
    Das Unruhige in seinem Wesen verblüfft, weil der Abgeordnete viel Ruhe ausstrahlt. Einem Faulenzer-Urlaub kann er nichts abgewinnen. Wissbegierde, Bildungshunger scheinen ihn zu zwingen, jede geliebte Reise in die weite Welt als bewusste Erkenntniserweiterung zu betrachten. Israel kennt er besonders gut. Lateinamerika gehört für Böcker noch zu den weißen Flecken auf der Weltkarte. Als Diplomat wäre Böcker keine Fehlbesetzung. Sätze wie "In jeder Herausforderung liegt eine politische Chance" hat Böcker parat. Die Sozialdemokraten warnt er vor einem Rückfall in Sozialromantik. "Was wir brauchen ist ein besseres seismographisches Empfinden für neue weltweite Veränderungen und Entwicklungen." Als landespolitisches Problem der Zukunft sieht Böcker die Gefahr einer Jugendabwanderung aus den ländlichen Gebieten.
    Der Mann, der wie ein wandelnder Vermittlungsausschuss wirkt, kann auch hassen. Er hasse es, sagt Böcker, wenn Leute fremden Ländern kluge Ratschläge erteilten, in die sie noch nie einen Fuß gesetzt hätten.Der Abgeordnete aus Lipperland ist jemand, der sich immer noch kundig macht, dazu viel Fachliteratur liest, der als Lehrer den Schulausschuss mied, weil er sich lieber zehn Jahre lang im Wirtschaftsausschuss mit einer bislang unbekannten Materie anfreunden wollte. Manfred Böcker - ein Ruheloser aus einem ruhigen Landstrich.
    Reinhold Michels

    ID: LIN01932

  • Porträt der Woche: Franz-Josef Britz (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 19.02.2003

    Er zählt nicht zu jenen, die sich in die vordere Reihe drängen - Franz-Josef Britz engagiert sich in den Ausschüssen und im vorparlamentarischen Raum für die Interessen der Kommunen und für eine Reform der längst überholten Verwaltungsstrukturen. Dabei ist der CDU-Abgeordnete optimistisch, dass auch die Opposition mit überzeugenden Argumenten parlamentarisch etwas bewegen könne.
    Der gebürtige Essener, Jahrgang 1948, studierte nach dem Abitur Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bochum, deren Rektor damals Kurt Biedenkopf hieß. Nach Abschluss des Studiums folgten für den Diplom- Ökonomen die Referendarzeit an einer Berufsbildenden Schule und die 2. Staatsprüfung. Bis zu seiner Wahl in den Landtag 1990 unterrichtete der Oberstudienrat an den Berufsbildenden Schulen in Gladbeck.
    Der CDU schloss sich Franz-Josef Britz 1970 an, da er nach seinen Worten während des Studiums die Erkenntnis gewonnen habe, dass für eine erfolgreiche Wirtchaftspolitik die soziale Marktwirtschaft eine unerlässliche Grundlage sei. Im Übrigen sei der Beitritt in die Union die "logische Fortsetzung" der Angehörigkeit in der katholischen Jugendbewegung gewesen, meint der Christdemokrat.
    Heute ist er Vorstandsmitglied des CDUKreisverbandes Essen. Kommunalpolitisch engagierte sich der Essener zunächst in der Bezirksvertretung Essen-Steele-Kray. 1979 wurde er dann erstmals in den Rat seiner Heimatstadt gewählt, wo er jetzt Vorsitzender der CDU-Fraktion ist.
    Schließlich wurde Franz-Josef Britz 1990 über die Reserveliste seiner Partei in den Landtag gewählt. Den langjährigen Kommunalpolitiker mit Schwerpunkt Finanzen reizte das Düsseldorfer Parlament, "weil im Finanzbereich die Verknüpfung zwischen dem Land und den Kommunen besonders eng ist". Die Fraktion berief ihn deshalb auch damals in den Haushalts- und Finanzausschuss.
    Als Mitglied des Ausschusses für Kommunalpolitik und seit 1994 auch des Ausschusses für die Verwaltungsstrukturreform, bedauert der CDU-Abgeordnete, dass sich die hohen Erwartungen an die überfällige Verwaltungsreform zum großen Teil "in nichts" aufgelöst hätten. Die oppositionellen Vorstellungen, die Zusammenführung der Landschaftsverbände, Bezirksregierungen und des Kommunalverbandes Ruhrgebiet zu einheitlichen Regionalverwaltungen sei am Widerstand der rot-grünen Parlamentsmehrheit gescheitert. "Sie bewegte sich nicht."
    Heute sieht der Essener zumindest "Ansätze" für eine Reform im Ruhrgebiet. Dazu zählten nach seiner Auffassung vor allem, dass die Mitgliedschaft in dem Regionalverband verpflichtend sei und er die Planungshoheit erhalten müsse. Das Revier dürfe nicht von Arnsberg, Düsseldorf und Münster "fremdbestimmt" werden. Der kommunalpolitische Sprecher der CDU-Fraktion setzt dabei optimistisch darauf, dass sich der Erfolg der Opposition bei der Gemeindereform, die Direktwahl der Bürgermeister, wiederholt.
    Nicht nur Franz-Josef Britz bereitet die Finanzsituation der Städte und Gemeinden große Sorgen. So macht sich seine Fraktion für ein "Notprogramm zur Wiederherstellung der kommunalen Handlungsfähigkeit" stark. Dazu zählen die Forderungen nach einer Rücknahme der zusätzlichen finanziellen Befrachtungen durch das Land und die Rücknahme der unter anderen wirtschaftlichen Rahmenbedingungungen erhöhten Gewerbesteuerumlage auf wieder zwanzig Prozent. Zudem dürfe das Land den Kommunen nur dann weitere Aufgaben übertragen, wenn es gleichzeitig das notwendige Geld "mitliefert". Im nächsten Jahr würden dreiviertel aller Gemeinden in Nordrhein-Westfalen trotz großer eigener Sparanstrengungen in den Zwang zu Haushaltssicherungskonzepten geraten, befürchtet der CDU-Politiker.
    Der Vater von zwei Kindern entspannt sich im Übrigen bei Krimis, und möglichst von Frauen geschrieben - "sie sind auf hohem Niveau".
    Jochen Jurettko

    ID: LIN01671

  • Porträt der Woche: Wolfram Kuschke (SPD).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 1 - 29.01.2003

    Seine Amtsbeschreibung ist noch etwas lernbedürftig: Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Staatskanzlei. Mit der Kurzform "Chef der Staatskanzlei" kann Wolfram Kuschke sicher gut leben, irgendwie trifft das Allgemeine ja auch das ganz Spezielle dieses Amtes.
    Was der 52-Jährige macht, hat sich schon in den ersten Wochen seiner neuen Tätigkeit im Düsseldorfer Stadttor gezeigt: Einen ordentlichen, ordnenden, übergeordnet dienenden Job. Aber was ist dieser Wolfram Kuschke für ein Mensch?
    Wolfram Kuschke ist der Typ des stillen, effektiven Politik-Arbeiters.Mit einem kräftigen Schuss Vorarbeiter. Mehr Sein als Scheinen - keine schlechte Voraussetzung für die Leitungs- und Koordinierungsfunktion in der Staatskanzlei. Wo er ist, da ist Ordnung. Was nichts mit bürokratischem Selbstzweck, sondern mit zielgerichteter Organisation zu tun hat. Ministerpräsident Steinbrück wusste genau, warum er den gewieften Verwaltungs-Praktiker und strategisch denkenden SPD-Politiker in das Zentrum der Regierungsmacht geholt hat.
    Die Führung der großen Behörde Bezirksregierung sei eine gute Ausbildung für das neue Amt gewesen, sagt Kuschke. Das Landespersonalvertretungsgesetz habe er dabei nie als Kampfanzeige empfunden. Er sei ein Chef,mit dem man reden könne, sagen die Mitarbeiter. Dass ihn der Wechsel vom "schönsten Regierungsbezirk der Welt" zur auch recht angenehmen Stadttor-Aussicht nicht zwangsläufig von der geschätzten Basisnähe entfernt, gehört zu den Starterfahrungen des nach wie vor in Lünen wohnenden Ministers. Montags, wenn die Staus im WDR die Musik verdrängen, hört er bei der Zugfahrt nach Düsseldorf Volkes Stimme ohne Filter. Beim Kaffee zwischen Ruhr und Rhein klingt manches anders als die Aktenlage-Scheinwirklichkeit.
    Apropos Kaffee: 25 Jahre in Münster haben die Kuschkes geprägt.Mit Ehefrau Vera geht er gerne ins Cafe, wo beim Frühstück mit Freunden die Welt in Ordnung ist. Dass die Zeit für diese wichtigen kleinen Freuden des normalen Lebens knapper geworden sei, ist Zustandsbeschreibung, nicht Klage.

    THEORIE UND PRAXIS

    Politiker lernt man nicht, das wird man. Das solide Gerüst legte sich der im sauerländischen Menden geborene Wolfram Kuschke an der Uni Münster zu. Nach dem Studium von Geschichte und Politikwissenschaft war der Bildungsbereich sein Arbeits-Metier. Pädagogischer Mitarbeiter an der Heimvolkshochschule Haus Neuland in Bielefeld, wissenschaftlicher Mitarbeiter und später Lehrbeauftragter an der Ruhr-Uni Bochum - das sind berufliche Stationen eines Werdegangs, der schon früh mit politischen Aktivitäten verbunden war.
    Kuschke war Moderator (man kann auch sagen Strippenzieher) der SPD-Parteireform in NRW. Basisverbundenheit und Sinn für das Machbare sind Qualitäten, die dem Ex-Regierungspräsidenten (von 1998 bis November 2002) in der Staatskanzlei zugute kommen sollten. Was im Kleinen für stille Anerkennung auch bei politischen Gegnern sorgte (heimatverbundener Einsatz, Suche nach Konsens), dürfte auch im Großen der Sache dienlich sein. Dass er mit Wolfram Kuschke einen loyalen, der eigenen Ruhmespflege unverdächtigen Leiter seiner Staats-Koordinierungsstelle gefunden hat, ist für Peer Steinbrück ein Stück Regierungs-Beruhigung.
    Erste Erfahrungen im Amt? "Gute. Noch lerne ich fast jeden Tag etwas Neues. Die Arbeit im Kabinett und mit meinem Team macht Spaß. Als Teamarbeiter ist das für mich wichtig". Und der Privatmensch Kuschke? Der hört gerne Musik ("Mit zunehmendem Alter mehr Jazz und Klassik, aber ich habe ein breites Spektrum") und genießt die wenige Lesezeit. Zuletzt auf dem Nachttisch: Die Brandt-Biografie von Merseburger und ein Krimi. Dass Tochter Julia (Jurastudentin, 24) jetzt ein Jahr an der Uni in Brüssel war, findet der Auch-Europaminister richtig gut.
    Urlaubsmäßig ist der Stier ein Wassermann: Es zieht ihn zur Nordsee, vor allem aber an den nahen Möhnesee. Am Sonntag wollen Kuschkes gerne segeln gehn. Sofern die Winde weh’n, oder besser: Sofern kein Termin einen Strich durch die lieb gewordene Sauerland-Rechnung macht. Wanderungen auf dem Rothaarsteig sind ihm eine Lust, auch gegen Frust.
    Bodo Zapp

    ID: LIN01891

  • Porträt der Woche: Wolfgang Gerhards (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 15 - 17.12.2002

    Wolfgang Gerhards ist aus der evangelischen Kirche ausgetreten. "Schon lange her", sagt er dazu lapidar. Und als Jura-Student in Bonn hat er Mitte der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts den legendären Repetitor Paul Schneider gemieden und statt dessen bei "Alpmann" fürs Erste Staatsexamen (1975) gebüffelt. Als Student der Rechte in Bonn nicht zu Schneider ("Einzige Hochschule Deutschlands") in der Kaiserstraße 1 c zu gehen, glich der Haltung, Dosensuppen zu löffeln, obwohl ein reiches Büffet lockt. Ist der neue Justizminister am Tische von Peer Steinbrück womöglich vom Geist, der stets verneint? Für die Schneider-Abstinenz gibt er eine Erklärung: Der Schneider sei ihm zu konservativ gewesen. Als Student war Gerhards noch kein eingeschriebener Sozi, die SPD-Mitgliedschaft beantragte er 1985, als er bereits Verwaltungsrichter in Köln und Münster war.
    Wer dem vor 53 Jahren in Mülheim an der Ruhr geborenen Brühler zum ersten Mal begegnet, dem fällt die äußere Wuchtigkeit auf.Man erinnert sich an oppositionelle Kritik aus Gerhards Finanzminister- Jahren in Sachsen-Anhalt (1998 bis Frühjahr 2002), der Westimport gebärde sich als Finanz-Rambo.Wenn man mit dem neuen Landesjustizminister jedoch ins rechtspolitische Gespräch kommt, zeigt sich schnell, dass er zurückhaltend formuliert, wohl eher der liberalen Denkschule angehört, wonach sich der Rechtsstaat nicht schneidig zu präsentieren habe. Gerhards Satz, eine Legalisierung des Konsums von Haschisch dürfe nicht sein, weil der Staat Grenzen setzen müsse, zählt zu den seltenen Äußerungen, wo in dem Däubler-Gmelin- Zögling ein Stück Otto Schily ("Law and Order sind sozialdemokratische Werte") aufblitzt. Zur hin und wieder diskutierten Möglichkeit, der wachsenden Jugendkriminalität mit einer Herabsetzung des Strafmündigkeits-Alters von 14 auf zwölf Jahre zu begegnen,meint er: "Das halte ich für falsch, weil es die Probleme nur verschiebt."
    Selbstbewusstsein
    Fragt man den Justizminister, was der Staat gegen dreiste Klau-Kinder, welche in rheinischen Großstädten unterwegs sind, machen könne, entfährt Gerhards ein "Da ist der Staat ziemlich machtlos." Er weiß, dass das ziemlich desillusionierend klingt, indes: "Man kann allenfalls versuchen, an die Hintermänner der Klau- Kinder heranzukommen." Im Übrigen bestehe die einzige Möglichkeit darin, die sozialen Bedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern. Da stellt man sich den Minister vor, wie er einer soeben ihrer Handtasche beraubten alten Dame erklärt, die Politik könne ihr wenig helfen, um dann die Prognose zu riskieren: Solche Wahlkämpfer wie Richter Gerhards werden der Sozialdemokratie an Rhein und Ruhr die um innere Sicherheit besorgten Menschen nicht in Scharen zuführen.
    Es gehört zu den sympathischen Zügen des Justizministers, dass er sich im ungewohnten Ressort an viele Themen erst herantastet, auch einmal sagt, da fehle ihm noch der Zugang. In solchen Gesprächs-Situation stellt sich aber schnell die Ahnung ein, dass der Mann, wenn er erst einmal rechtspolitisch fest im Sattel sitzt, die Zügel nicht aus den Händen geben werde.Mit einem selbstbewussten Chef wird man im Justizministerium zu rechnen haben, wenn Gerhards Eingewöhnungsphase vorüber ist.
    Der frühere Verwaltungsrichter hatte erstmals 1988 Kontakt mit der Bonner Politik - als Referent für öffentliches Recht bei Herta Däubler-Gmelin in der Bundestagsfraktion. Das dürfte nicht vergnügungssteuerpflichtig gewesen sein. Von 1991 bis 1994 war Gerhards Ministerpräsident Scharpings Mann in der Bonner Rheinland-Pfalz-Vertretung 1994 rief ihn aus Magdeburg Regierungschef Reinhard Höppner (SPD), der eine PDS-geduldete Landesregierung gebildet hatte. Chef der Staatskanzlei blieb Gerhards, den es zur Familie an den Rhein zog, nur ein Jahr lang. Nach drei Jahren (1995 bis 1998) an Münteferings Seite in der Bonner SPD - "Baracke" rief Höppner erneut, und Freund Gerhards übernahm das sachsen-anhaltinische Finanzressort - eine Mangelverwaltung der ganz besonderen Art.
    Der Junge des Ruhrgebiets, der sich als verheirateter Vater von drei Kindern im rheinischen Brühl pudelwohl fühlt, der sich als standhaft und robust bezeichnet, ist ein Hobby-Eisenbahner. Selbst in der Magdeburger Zweieinhalb-Zimmer- Wohnung hatte er sein Modell aufgebaut.
    Reinhold Michels

    ID: LIN00534

  • Porträt der Woche: Ute Schäfer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 14 - 11.12.2002

    Bei Ute Schäfer ist das Schlagzeilenfieber ausgebrochen. Seit drei Wochen vergeht kaum ein Tag, an dem die 48-Jährige nicht in den Medien erscheint. Als neue Ministerin für Schule, Jugend und Kinder buhlt sie um Aufmerksamkeit und Akzeptanz. Angesichts dieses Arbeitseifers dürfte die Ostwestfälin sich in ihrem Büro, das im 13. Stockwerk eines düsteren, verlebten Hochhauses untergebracht ist, noch nicht richtig eingelebt haben. Wer sie nach ihrer Ernennung zur Ministerin im November besuchte und über die unwirtlichen Flure lief, der sah Kartons und Mobiliar dort stehen und spürte dass Veränderungen anstanden. Schließlich mussten Abteilungen des Wissenschaftsressorts ausziehen, das seit der Kabinettsumbildung zu einem eigenständigen Ministerium geworden ist, und Platz machen für Mitarbeiter der Ressorts Jugend und Kinder.
    Es war für Journalisten interessant zu beobachten, mit welcher Selbstverständlichkeit Schäfer offenbar in dieses Amt gefunden hatte. Auch wenn sie im Gespräch ihre Hände immer wieder zusammenpresste und ihre innere Anspannung verriet, hatte man nicht das Gefühl, dass ihr die Aufgabe nicht geheuer ist. Da saß einem keine verunsicherte Person im Büro der Ministerin gegenüber, sondern jemand, der die schweren Zügel in der Hand halten will. Dieses selbstbewusste Auftreten dürfte das allgemeine Erstaunen noch steigern, denn ihre Beförderung gehört ohnehin zu den ungewöhnlichsten in der Landespolitik der vergangenen Jahre.

    Kommunikativ

    Schließlich gehört sie dem Landtag erst seit zweieinhalb Jahren an und ist in dieser Zeit nicht sonderlich präsent gewesen, auch wenn sie sich in den Plenardebatten häufig als stellvertretende schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet hat. Die Scheinwerfer waren stets auf Bildungsministerin Gabriele Behler gerichtet. Dass sich der neue Ministerpräsident Peer Steinbrück für Schäfer entschied, stieß in der Fraktion keineswegs auf ungeteilte Freude. Schließlich hatten sich dort andere selbst Chancen ausgerechnet, nachdem Behler ihren Amtsverzicht angekündigt hatte. Steinbrück aber wollte Schäfer. Er traut ihr zu, dass mit ihrem hochkommunikativen Talent die verhärteten Fronten der Bildungspolitik aufweichen kann.
    Ungewöhnliche Volten gehören zu ihrer Biografie. 1982 Jahren trat sie in die SPD ein, als es der Partei schlecht ging. Helmut Kohl trat seine Herrschaft als Kanzler an, die Sozialdemokraten waren nur noch ein Häufchen Elend. Sie sei zur SPD gekommen, gerade weil sich damals viele von ihr abgewandt hätten, sagt Schäfer. Fast 20 Jahre hatte sie als Lehrerin gearbeitet, sie war Konrektorin an zwei Schulen, und dann wechselte sie 1996 das Metier. Schäfer übernahm für die nächsten vier Jahre die Geschäftsführung des inzwischen aufgelösten SPD-Bezirks Ostwestfalen-Lippe. "Ich bin niemand, der sagt: Dort, wo ich bin, muss ich für immer bleiben", sagt Schäfer. Sie hatte sich für die Politik entschieden und baute ihren Einfluss im Kreisverband Lage aus. Praktische Erfahrung sammelte sie in elf Jahren Ratsarbeit. Vor zwei Jahren wurde sie zur Vorsitzenden des Kreisverbandes gewählt. Der Höhepunkt dieser Polit-Karriere war präzise vorausgeplant: Sie sollte in zwei Jahren als SPD-Kandidatin für das Landratsamt des Kreises Lippe antreten. Doch statt der Verwaltung eines Kreishauses ist ihr nun ein riesiges Ministerium unterstellt. Es ist eine Herkulesaufgabe, nicht nur weil die Bildungspolitik für die rot-grüne Koalition als bedeutendster Bereich gilt. Der Ruf des Amtes ist ähnlich ramponiert wie die unansehnlichen Ministeriums-Hochhäuser. Schäfers Vorgängerin Behler vermochte es nicht, dieses Image aufzupolieren. Dies wird eine der wesentlichen Aufgaben Schäfers sein. Sie sagt, dass sie ein anderer Typ sei als Behler. Die Koalition verspricht sich von ihr ein freundlicheres, kooperativeres Verhalten. Einfach wird das nicht angesichts der Erwartungen, die nach den Ergebnissen von Pisa an die Bildungspolitik gestellt werden. "Ich habe den Mut dazu", lautet einer ihrer charakteristischen Sätze. Schäfer sagt auch immer wieder, dass sie diese Herausforderung ohne Angst annehmen werde. So spricht jemand, der sich nicht nur seiner Stärken bewusst ist, sondern auch um das hohe Risiko weiß, das die anstehenden Aufgaben mit sich bringen.
    Kristian Frigelj

    ID: LIN02243

  • Porträt der Woche: Helmut Stahl (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 13 - 27.11.2002

    Es ist ein kleines Geheimnis, dass sich Helmut Stahls Büro von anderen Zimmern im Landtag unterscheidet. Wenn man eintritt, empfängt einen gleich eine Atmosphäre der Behaglichkeit. Ein unaufdringlicher, würziger Duft von Pfeifentabak ist es, der zur Entspannung beiträgt. Helmut Stahl, ein Mann mit asketischem Aussehen und einer Vorliebe fürs Grau, fragt zunächst, ob der Rauch störend sei und schon läuft die Konversation. Der 55-Jährige erzählt von seiner Leidenschaft und wie er sich als 20-Jähriger für die Pfeife entschieden hat. "Zigaretten sind mir zu hektisch", sagt er und flachst, dass die Kriminalitätsrate unter Pfeiferauchern verschwindend gering sei. Stahl zieht genüsslich an seiner Pfeife, als wolle er den Scherz nochmals nachkosten. Die Pfeife ist ein Klassiker, eine Savinelli, gefertigt aus Bruyère-Holz, geradlinige Form.
    Mit Stahl redet es sich leicht, über Politik über Gott und die Welt. Es gehört ja ohnehin zum Anforderungsprofil eines Parlamentarischen Geschäftsführers, kommunikativ zu sein. Schließlich muss der gebürtige Olper, der seit mehr als zwanzig Jahren in Bonn wurzelt, die CDU-Landttagsfraktion auf Kurs halten. Der "PG", wie er intern genannt wird, muss die 88 Abgeordneten auf Abstimmungen einschwören und den Korpsgeist fördern. Stahl bezeichnet sich wohlwollend als "Hütehund" - ein durchaus gutmütiges Wesen also, das allerdings auch die Zähne zeigen kann, wenn jemand in der Herde widerspenstig wird.

    Politische Freundschaft

    Die erste Bewährungsprobe stand ihm mit der Wahl des neuen Ministerpräsidenten in der ersten Novemberwoche bevor. Dass letztlich zwei unerkannt gebliebene Abgeordnete aus der Opposition ebenfalls für den Kandidaten der rot-grünen Regierungsmehrheit, Peer Steinbrück, votierten, scheint ihn nicht zu stören. Es sei ja keine Stimme aus seiner Fraktion gewesen, sondern aus der FDP, sagt Stahl. Aber auch wenn es anders wäre, er würde gewiss dasseibe sagen. Als Parlamentarischer Geschäftsführer ist Stahl schließlich auch der wichtigste Streiter für die Glaubwürdigkeit und Autorität seines Vorsitzenden Jürgen Rüttgers. Ihn und Rüttgers verbindet eine lange politische Freundschaft. Kennen gelernt haben sie sich zu Beginn der 90er Jahre, als beide noch auf ihre Weise für die Bundesregierung tätig waren. Stahl als Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt von Helmut Kohl; Rüttgers als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Wertschätzung war so groß, dass Rüttgers, nachdem er 1994 zum Superminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie ernannt worden war, Stahl als Staatssekretär zu sich rief.
    Sein ungewöhnliches Talent für administrative Arbeit prädestinierte ihn für solche Aufgaben. Das dafür notwendige politische Fundament wurde in seiner Kindheit gelegt. Er wurde "am Mittagstisch politisiert" und trat als 18-Jähriger der CDU bei. Ab 1975 war der diplomierte Volkswirt in der CDU-Bundesgeschäftssteile tätig, dann in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und danach als Leiter der Grundsatz- und Planungsabteilung im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. Der Aufstieg ins Zukunftsministerium von Rüttgers kennzeichnete für beide den Höhepunkt ihrer eingeschlagenen Karrieren. Umso schmerzhafter war dann die Ablösung der Kohl-Regierung vor vier Jahren. "Es waren schlimme Wochen. Das war so, als ob sie einen Araberhengst in eine Box steilen", sagt Stahl.
    Am 29. Oktober 1998 wurde Stahl offiziell in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Daraufhin wechselte er notgedrungen auf die politische Bühne. Er trat nur wenige Monate später als Kandidat für das hauptamtliche Oberbürgermeisteramt in Bonn an, absolvierte einen strapaziösen Wahlkampf und schaffte im September 1999 einen Überraschungserfolg: Er bezwang im ersten Wahlgang die SPD-Kandidatin Bärbel Dieckmann, verfehlte allerdings die absolute Mehrheit. Im zweiten Durchgang setzte sich die Konkurrentin durch. Seine nächste Chance konnte er im Mai 2000 nutzen: Stahl zog über einen Listenplatz in den Landtag ein. Vielleicht war das der Beginn einer neuen Karriere. Es sei für ihn jedenfalls unvorstellbar, jetzt schon zum Spazierstock zu greifen, sagt Stahl.
    Also schlug der Vater zweier erwachsener Kinder den anderen Weg ein, der wiederum viel von seiner freien Zeit abverlangt. Seit seiner Wahl zum Parlamentarischen Geschäftsführer im Oktober findet er nur noch am Wochenende Zeit für den Dauerlauf (das Wort Joggen steht bei ihm auf dem Index). Auch seine Streifzüge durch die Siegaue bei Bonn muss er einschränken. Immerhin die Bilder der Vögel, die dort zu beobachten sind, hat er sich eingeprägt. Stahl kennt nach eigener Aussage zwei Drittel der etwa 450 Arten in Europa. Beim Flussläufer oder Zwergtaucher gerät er ins Schwärmen. Das Interesse für Ornithologie wurde bereits in seiner Kindheit geweckt. Die Leichtigkeit der Vögel, sich in die Lüfte zu erheben, findet er seitdem ungemein faszinierend. Es sind auch solche hoch fliegenden Gedanken, die Helmut Stahl bisweilen losgelöster erscheinen lassen als andere Politiker.
    Kristian Frigelj

    ID: LIN02294

  • Porträt der Woche: Peer Steinbrück (SPD).
    Porträt;

    S. 19 in Ausgabe 12 - 13.11.2002

    Für die Kollegen in den Politik-Ressorts der Zeitungen ist Peer Steinbrück schon lange einer der besten Lieferanten für das "Zitat der Woche". Beispiel gefällig? Als Ministerpräsident müsse man "eine Mischung aus Tarzan, Einstein und Inge Meysel sein", spottete er über sich selbst, nachdem Vorstand und Präsidium der SPD ihn bei nur einer Enthaltung einstimmig als Kandidaten für die Wahl zum Ministerpräsidenten vorgeschlagen hatten. Einen Tag nach seiner Nominierung titelte eine Boulevardzeitung neben seinem Konterfei: "Kennen Sie den?" Und in einer Umfrage antworteten acht Bürger: "Nein." Das sehe er völlig gelassen, antwortet er nun rückblickend auf die Frage, ob ihn das geärgert habe: "Dieser Hinweis ist mir oft in der Annahme gemacht worden, das würde mich wahnsinnig bekümmern oder aus der Bahn werfen. Das haut mich nicht um. Ich werde mich bekannt machen, aber ich werde dabei meinen eigenen Stil haben", sagt er dann selbstbewusst.

    Karriereplanung?

    Was ist nicht alles über ihn geschrieben worden in den hektischen Zeiten nach dem Clement-Abgang vor den Herbstferien? Steinbrücks Karriere sei "beängstigend gradlinig" verlaufen, er sei "hanseatisch-spröde" und "ein kühler Norddeutscher", ihm fehle "der Stallgeruch". Attribute, die gar nicht zu einem NRW-Ministerpräsidenten passen wollen. Das seien alles Bilder von Journalisten, die ihn nie wirklich kennen gelernt hätten, meint er. Die Wahl zum Ministerpräsidenten war der vorläufige Höhepunkt in der Karriere des gebürtigen Hamburgers mit dem trockenen Humor. Nach dem Abitur, den zwei Jahren bei der Bundeswehr und dem Studium der Volks- und Sozialwissenschaft in Kiel hat er indes noch keinen Gedanken an eine derartige Entwicklung verschwendet: "Die meisten Menschen glauben, dass Politiker eine feststehende Karriereplanung über Jahre oder Jahrzehnte haben. Das habe ich selten bestätigt bekommen." Irgendwann habe man nur noch wenig Einfluss auf den weiteren Lebensweg, "irgendwann wird man gefragt, ob man dieses oder jenes machen möchte", sagt er.
    Und Peer Steinbrück (55) ist wohl sehr oft gefragt worden, auch wenn sein Lebenslauf auf den ersten Blick verrät, dass er ein sehr zielstrebiger Karriere-Beamter gewesen sein muss: 1974 begann er seine berufliche Laufbahn im Bundesbauministerium, tingelte danach durch viele andere Ministerien und landete schließlich im Dezember 1986 als Büroleiter von Ministerpräsident Johannes Rau in Düsseldorf. Es folgten drei Jahre als Staatssekretär und fast zehn Jahre als Minister in Kiel und Düsseldorf. Aus solchen Lebensläufen wird dann gefolgert, dass ihm der "sozial-demokratische Stallgeruch" fehle, der Bezug zur Basis: "Himmel, ich bin seit 33 Jahren in der SPD. Der Punkt ist, dass ich nie aus Parteifunktionen heraus in Ämter gekommen bin."
    Und dann hat er noch ein schlagkräftiges Argument gegen die Mär vom fehlenden "Stallgeruch": sein Ergebnis im Wahlkreis 136, Unna Il, bei der Landtagswahl im Mai 2000. Satte 59,1 Prozent gab"s für den Hanseaten im Westfälischen. "Die Menschen in meinem Wahlkreis mussten sich nicht lange gewöhnen. Bei denen war es fast ein Kriterium, noch mal einen Fischkopp zu kriegen, weil mein Vorgänger einer war. Klaus Matthiesen ist dort fast auf Emotionen, auf Liebesgefühle gestoßen und hat dort 1995 über 60 Prozent geholt. In diesem Wahlkreis hatten wir als Norddeutsche nie Schwierigkeiten."
    Was dem 55-Jährigen eher Schwierigkeiten bereitet, ist die Tatsache, dass er in letzter Zeit kaum noch Gelegenheiten für ausgiebige Frühstücke mit der Familie zu Hause in Bonn-Bad Godesberg hat. Seine Frau arbeitet als Lehrerin, seine Töchter (24 und 26) studieren auswärts, und der Sohn (18) steht vor dem Abitur. "Wenn ich ein wenig Zeit gehabt hätte, dann hätte ich gerne mal Philip Roths "Der menschliche Makel" gelesen oder Peter Merseburgers Biografie von Willy Brandt", dessen Ostpolitik Steinbrück faszinierte.
    Doch die eigentlich für die Herbstferien geplante Lektüre muss verschoben werden, Peer Steinbrück wird einstweilen selbst für druckreife "Zitate der Woche" sorgen. Wie etwa seine Replik auf die Frage, ob denn ein Nordlicht in der Lage sein kann, Landesvater Nordrhein-Westfalens zu sein: "Ich glaube, dass früher die Szymaniaks, Juskowiaks, Szepans, auch die Burdenskis und die Tilkowskis oder wie immer sie heißen, nicht danach gefragt wurden, woher sie kommen, sondern, ob sie gut kicken können."
    Ralph Goldmann

    ID: LIN00269

  • Porträt der Woche: Dr. Bernhard Kasperek (SPD).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 11 - 16.10.2002

    Es ist eines dieser kleinen Alltagserlebnisse an einem Dienstagvormittag, kurz vor der Fraktionssitzung, bei dem Bernhard Kasperek einiges von sich preisgibt. Geschmeidigen Schrittes geht er durch die Gänge des SPD-Fraktionsbereiches. Als er an den Büros der Parlamentarischen Geschäftsführerin Carina Gödecke und von Fraktionschef Edgar Moron ankommt, greift er den Türrahmen, lehnt sich kurz herein und grüßt unüberhörbar ins Sekretariat. Selten begegnet man ihm ohne ein Lachen. Bernhard Kasperek ist ein Dynamiker. Einer, der motivierend wirkt und bemüht ist, beim Gegenüber freundlich in Erinnerung zu bleiben.
    Dieser Eindruck hat sich verstärkt, seitdem er vor längerer Zeit mehrere Pfunde abgenommen hat. Auf seiner persönlichen Homepage ist noch ein Mann mit bulliger Statur und strahlendem, pausbäckigem Gesicht zu sehen. Kasperek joggt mehrmals in der Woche und wandert gern in den Bergen. Sich selbst charakterisiert der 50-Jährige als "alten Naturliebhaber".
    Deshalb ist es wenig überraschend, dass Kasperek in der SPD-Fraktion umweltpolitischer Sprecher ist und sich bemüht, die SPD auf diesem Gebiet, auch gegen die GRÜNEN, zu profilieren. Dabei kommt er forsch im Plenum daher. Kasperek gehört zu den stärkeren Rednern. Er vermengt sachliche Informationen mit kontrollierter Polemik an die Adresse der Opposition.

    Gewerkschaftliche Orientierung

    Man merkt dann schnell, dass Kasperek kein schlichter Abgeordneter ist. Er gehört zum inneren Zirkel der Fraktion, und dies ist auch seiner politischen Erfahrung zu schulden. Seit 31 Jahren gehört der gebürtige Oberschlesier der SPD an. Er ist ein Arbeiter, der ins Bildungsbürgertum hineinwuchs. Auch heute noch betont Kasperek seine "gewerkschaftliche Orientierung". Der gelernte Klempner und Installateur schlug den zweiten Bildungsweg ein. Er studierte anschließend Versorgungstechnik und danach Sicherheitstechnik bis zur Promotion. Seit 13 Jahren ist der Diplom-Ingenieur angestellt bei der Degussa AG.
    Kaspereks Politisierung hatte ihren Ursprung ebenfalls in den 60er-Jahren. Es war die Aufarbeitung des Nationalsozialismus, die den damaligen Studenten in Münster elektrisierte. In der Politik ging dann alles sehr schnell. Noch vor seinem Studienabschluss wurde Kasperek 1975 in den Rat der Stadt Herten gewählt. Er sei mit seinen 22 Jahren bundesweit das jüngste Ratsmitglied gewesen, erzählt Kasperek nicht ohne einen Anflug von Stolz.
    Bei seiner Zielstrebigkeit konnten auch einige spektakuläre Vorkommnisse nicht ausbleiben. Es glich einer kleinen Revolution, als Kasperek 1987 den ungekrönten Lokalfürsten Horst Niggemeier vom Vorsitz im Unterbezirk Recklinghausen, dem bundesweit zweitgrößten Sprengel der SPD, vertreiben konnte. 1989 wurde Kasperek Mitglied des Recklinghausener Kreistages; ein Jahr später besaß er ebenfalls ein Mandat im Landtag. Auf Zitterpartien musste er sich in der sozialdemokratischen Hochburg nie einlassen. In den vergangenen drei Legislaturperioden wurde er direkt gewählt.
    Ein wichtiges politisches Spielbein besaß Kasperek in der SPD-Landespartei. Er gehörte ab 1978 dem Landesvorstand an und war vier Jahre als ehrenamtlicher Landesgeschäftsführer tätig. Er habe intensiv mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau zusammengearbeitet, sagt Kasperek. In seinem Landtagsbüro hat er ein großes Porträt von Rau aufgehängt: "Er hat die nordrhein-westfälische SPD ebenso geprägt wie Willy Brandt die Bundes-SPD." In seiner Zeit als Landesgeschäftsführer habe er eng mit Rau zusammengearbeitet, sagt Kasperek.
    Seine gute Laune schwindet allerdings schlagartig, wenn man ihn auf die Ablösung Raus anspricht. An einem Montag hatte Rau seinen Abschied verkündet, nachdem er sich lange gegen diesen Schritt gesträubt hatte. Es war der 16. März 1998. Und ausgerechnet einen Tag zuvor war in einer Boulevardzeitung zu lesen, dass Bernhard Kasperek und der frühere Fraktionschef im Landtag, Friedhelm Farthmann, sich für einen Wechsel an der Regierungsspitze aussprachen. Kasperek sagt, dies sei eine "unglückliche Sache" gewesen, mehr möchte er dazu nicht sagen. Er schaut sehr ernst. Die SPD war damals ziemlich verärgert. Seither ist es ruhiger um ihn geworden. Seinen Vorsitz im Unterbezirk Recklinghausen hat ein anderer übernommen.
    Kaspereks Horizont endet nicht an Hertener oder nordrhein-westfälischen Grenzen. Es sind vielmehr die großen politischen Gefühle, die er noch spürt. Jene wie selbstverständlich geltenden Ideale von Gerechtigkeit, Freiheit oder Gleichheit. Kasperek mag die programmatische Arbeit und erzählt von seinen Konzepten, mit denen er die Öffentlichkeitsarbeit im Landesverband neu ausgerichtet habe. Kampagnen interessieren ihn. Und dann sagt er einen elementaren Satz: "Die Lust an Politik ist ungebrochen." Es ist ihm anzusehen.
    Kristian Frigelj

    ID: LIN01196

  • Porträt der Woche: Angela Freimuth (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 10 - 17.09.2002

    Man könnte es so formulieren: Die einzige Konstante im jungen Leben von Angele Freimuth ist die Vorläufigkeit. Im Juli wurde die FDP-Abgeordnete 36 Jahre alt, da ist noch viel Zukunft möglich. Freimuth, weder verwandt noch verschwägert mit dem gleichnamigen SPD-Abgeordneten, sagt voller innerer Gelassenheit: "Wer oder was hetzt mich?" Für die nächsten 36 Lebensjahre werde sie sich vornehmen, den für sie richtigen Weg herauszufinden.
    Als Schülerin hatte Angela Freimuth starke Vorbehalte gegenüber Politikern und Politik. Die Jusos und Junge-Union-Kadetten missfielen ihr besonders. Seinerzeit reifte die Idee, es den beiden Brüdern ihres Vaters gleichzutun und in die USA auszuwandern. 1987, nach dem Abitur und in der Werkzeugmacher-Ausbildung, stand Freimuth als Lüdenscheider Ortsvorsitzende der Jungen Liberalen zur Wahl. Sie sagte den Mitstreitern der Julis: "Ihr könnt mich aber nur für ein Jahr wählen, danach will ich auswandern."

    Auswanderungspläne

    So wie ihre Vorurteile und Abneigungen gegen Politik und Politiker ziemlich schnell verschwanden, so verflüchtigte sich auch der Wunsch, Deutschland den Rücken zu kehren. "Auf einmal merkte ich, wie viel Möglichkeiten und Herausforderungen das eigene Land bietet."
    In die USA fliegt die FDP-Abgeordnete häufig, nicht nur, weil dort Onkel, Cousins und Cousinen leben, sondern auch wegen Einladungen wie derjenigen des "International visitors program" für jüngere ausländische Führungskräfte aus Politik und Gesellschaft. Vor kurzem hat sie in den Vereinigten Staaten ihre ersten beiden Reden in Englisch gehalten. Perfekt war das noch nicht, aber sie will jetzt die Weltsprache Nr. 1 büffeln.
    Warum die Werkzeugmacher-Lehre nach dem Abi, wo sie doch Jura studieren wollte? Da spielte zunächst einmal der Wunsch eine Rolle, nach den Jahren der Schultheorie etwas Praktisches, Handwerkliches zu tun. Die Entscheidung, dann doch Recht zu studieren und Anwältin zu werden, bedeutete auch den Abschied von der Auswanderungs-Idee.
    Warum FDP? Als sie merkte, das Politiker und Politik besser sind als ihr Ruf, und als sie sich entschieden hatte, politisch aktiv zu werden, las die junge Frau die diversen Parteiprogramme, besuchte politische Veranstaltungen. SPD und CDU seien bei ihr schnell aus dem Rennen gewesen, nicht so die GRÜNEN. Schnell habe sie jedoch die Widersprüche im Reden und Handeln der GRÜNEN bemerkt. An der FDP gefällt ihr die Betonung der Individualität als Grundidee, die Toleranz gegenüber Andersdenkender. Das, so meint sie, seien Werte für ihr eigenes Lebenskonzept.
    Gibt es politische Vorbilder? Helmut Schmidt habe sie sehr beeindruckt, auch die DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley, Petra Kelly ebenso und auch Hildegard Hamm-Brücher, "bis ich sie kennen lernte. Die Alt-Liberale sei eine großartige Frau, aber auch bei ihr gebe es Widersprüche zwischen Sagen und Sein.
    Ob der deutschen Politik ein Riesentalent verloren gegangen wäre, wenn Angela Freimuth mit 21 jenseits des Großen Teichs ihr Glück versucht hätte, lässt sich nicht abschließend beurteilen. Feststellen hingegen lässt sich schon jetzt: Das Landesparlament wäre ohne die Liberale um eine politisch entwicklungsfähige und sympathische Frau ärmer.
    Ihr Aktionsfeld im Landtag sind Haushalt und Finanzen. Als gelegentlich tätige Anwältin konzentriert sie sich auf Fälle des Wirtschafts- und Steuerrechts. Ihr ist wichtig, dass genügend Zeit übrig bleibt für die schönen, privaten Dinge des Lebens, wozu Angele Freimuth Partnerschaft, Kino, Krimis, Skifahren, Menschen-Kennenlernen zählt. Kinder hat sie noch nicht: "Ich hätte aber nichts dagegen." Sie engagiert sich im Kinderschutzbund. Ob sie als Anwältin einen wegen Kindesmissbrauchs oder gar -tötung Angeklagten verteidigen würde? "Jeder hat das Recht auf Verteidigung, auch der, dem schlimme Dinge vorgeworfen werden. Aber reißen wurde ich mich um ein solches Mandat nicht." Reinhold Michels

    ID: LIN00864

  • Porträt der Woche: Rainer Schmeltzer (SPD).
    Porträt
    S. 22 in Ausgabe 9 - 09.07.2002

    Es ist die eine Frage, die immer wieder kommt, wenn Rainer Schmeltzer Schülergruppen im Landtag empfängt: "Was muss man denn studieren, wenn man Abgeordneter werden will?" Und dann beantwortet er diese Frage immer wieder mit seinem eigenen Lebenslauf: Mittlere Reife 1977, danach Ausbildung und Abschlüsse zum Wohnungswirt und Wohnungsfachwirt. Er arbeitet zwölf Jahre lang bei einer Dortmunder Wohnungsgesellschaft und dann - ab 1992 - als Gewerkschaftssekretär bei der ÖTV, erst in Berlin, dann in Unna. Bis er im Juni 2000 für die SPD im Wahlkreis 137 Unna III mit den Städten Lünen und Selm in den Landtag zieht. "Ich ernte dann immer weit geöffnete Münder, weil es immer noch das Bild gibt, dass man für ein Landtagsmandat eine akademische Ausbildung mitbringen muss", sagt der 41-Jährige.
    Schon als Jugendlicher schreibt er sich auf die Fahnen, dass er in die Politik gehen will. Die Eltern sind beide SPD-Mitglied. Kein Wunder, dass er mit 16 SPD-Mitglied und mit siebzehneinhalb Juso-Vorsitzender des Ortsverbandes seiner Heimat Lünen wird. An ein Landtags- oder gar Bundestagsmandat denkt er da noch nicht. Jetzt sagt er: "Wenn man Spaß daran hat, dann ist das auch ein Stück Leben."
    Als er von der Wohnungswirtschaft zur ÖTV nach Berlin wechselt, ist das für ihn "ein Schnitt in meinem Leben, ein Sprung ins kalte Wasser". Zwar kennt er die Gewerkschaftsarbeit aus seinem früheren Job - dort war er am Ende Betriebsratsvorsitzender. Doch seine eigentliche Aufgabe war, sich um die Probleme der Mieter zu kümmern und später im Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mitzuarbeiten.

    Gewerkschaftsarbeit

    Er nutzt also die Chance, die ihm die Gewerkschaft bietet und startet eine neue Karriere bei der ÖTV, für die er in einem Projekt Betriebsräte aus den neuen Bundesländern schulen soll, "nicht theoretisch, sondern ich sollte ihnen zeigen, wie es in der Praxis läuft. Dann wollte mich die ÖTV nicht mehr gehen lassen." Also wird er hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär, leitet drei Jahre lang das Büro für Verkehr und sonstige Dienstleistungen für den Hauptvorstand in Berlin. Dann kehrt er zurück in die westfälische Heimat.
    Den Privatmann Rainer Schmeltzer gibt es fast nicht, für Dinge abseits der Partei- und Gewerkschaftsarbeit bleibt nicht viel Zeit. Seit er nach einem Unfall 1994 in seinen sportlichen Aktivitäten eingeschränkt ist, bleibt ihm nur noch Rad fahren und Schwimmen. "Wenn ich mal Zeit habe, dann verbringe ich diese Zeit mit meiner Lebensgefährtin. Und Sie werden es nicht glauben. Es ist so schön, in seiner Freizeit einfach mal zu gammeln und zu relaxen. Das macht schon Spaß", meint er, um gleich wieder auf sein nächstes großes - politisches - Ziel zu sprechen zu kommen: die Kommunalwahl 2004. "Ich peitsche die Wahl nach vorne auf Teufel komm raus. Die haben wir verloren. Da will ich wieder eine Mehrheit und einen sozialdemokratischen Bürgermeister." Und dafür muss er nah an den Menschen sein: "Bei mir landet alles, da kann man nicht sagen, da bin ich nicht für zuständig, gehen Sie zum Kollegen, sondern Sie müssen sich um alles kümmern."
    Und natürlich beschäftigt ihn auch die bevorstehende Bundestagswahl - gerade jetzt in Wahlkampfzeiten. Der sei früher ganz anders gewesen, erinnert er sich, jedenfalls zu der Zeit, als er begann sich für Politik zu interessieren. "Heute ist es zu einem Medienwahlkampf geworden", beklagt Schmeltzer. Heute müsse man die Leute mit neuen Dingen überraschen, "einer guten Internet-Seite beispielsweise und sie müssen Events starten, das war früher alles anders. Früher mussten sie laut sein und kämpfen." Und noch etwas habe sich geändert in den vergangenen 25 Jahren: Das Interesse der Jugend an politischen Themen habe spürbar nachgelassen, so Schmeltzer. Und so versucht er immer wieder, in Diskussionen mit den Freunden seines 16-jährigen Sohnes Überzeugungsarbeit zu leisten und die Jugendlichen für Politik zu begeistern. Bislang ist das nur bei seinem eigenen Sohn gelungen, auch wenn der Vater gar nicht allzu viel dafür tun musste. Der Sohnemann wollte nämlich schon mit 14 in die SPD eintreten. Und das war selbst Rainer Schmeltzer zu früh: "Ich habe ihn zu überzeugen versucht, dass ich das für etwas zu früh halte, ihm aber die Entscheidung überlassen." Marcel hat dann noch zwei Jahre gewartet mit der Mitgliedschaft. In dieser Hinsicht ist er also in jedem Falle ganz der Vater.
    Ralph Goldmann

    ID: LIN01979

  • Porträt der Woche: Dr. Ingo Wolf (FDP).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 8 - 25.06.2002

    Ingo Wolf ist einer der eifrigsten Redner im Düsseldorfer Landtag. Obwohl der 47-jährige FDP-Abgeordnete erst seit 2000 dem Parlament angehört, hat er bereits zwanzig Mal im Plenum gesprochen. In "seinen" Ausschüssen, dem Haushalts- und Finanzausschuss sowie im Ausschuss für Kommunalpolitik brachte er es in dieser kurzen Zeit sogar auf mehr als 80 Beiträge. Der massive Einsatz hat viel damit zu tun, dass der frühere Oberkreisdirektor und Kreispolizeichef in Euskirchen auf fast allen Gebieten fit und damit auch für spontane Einsätze gut ist.
    Bedauerlich findet es der ehemalige Verwaltungsmanager nur, dass die Umsetzungsgeschwindigkeit im Landtag "schlicht miserabel" ist. Als Oppositionspartei sei es ohnehin schwierig, etwas zu bewegen. Die FDP habe sich heftig bemüht, die Liberalisierung der Sperrzeiten bei Gaststätten voranzutreiben und sei damit ja auch schließlich erfolgreich gewesen. Doch beispielsweise sei die Ladenschlussproblematik noch immer nicht befriedigend geregelt. "Es gibt noch viele andere Bereiche, von denen ich sage: "Da müsste was passieren." Für einen Liberalen sei es einfach unglaublich, dass man oft für solche kleinen Fortschritte fast Jahrzehnte brauche. "Es ist zu wenig Bewegung", bilanziert er ein wenig enttäuscht.

    Vorliebe für Kommunales

    Zentrales Anliegen des in der Wolle gefärbten Kommunalpolitikers ist eine gerechte Finanzausstattung der Kommunen und damit eng verbunden der Abbau von Bürokratie. Für Wolf ist klar, dass angesichts der sich dramatisch verschlechtern-den Finanzlage die Notwendigkeit einer gesamtstaatlichen Finanzreform alle anderen Themen überstrahlt. Der FDP-Abgeordnete: "Es gilt nun mal der Grundsatz: Ohne Moos nichts los." Im Rahmen einer Neuordnung der gesamtstaatlichen Finanzen fordern die Liberalen die Abschaffung der Gewerbesteuer und plädieren für ein eigenes kommunales Hebesatzrecht auf Einkommen und auf die Körperschaftssteuer. Natürlich ist Wolf klar, dass seine Liberalen - noch dazu aus der Rolle der Opposition -, so ein Mammut-Projekt kaum wirksam anstoßen können. Deshalb fordert der Liberale für die kleineren Parteien ein größeres Mitspracherecht zumindest in den Räten.
    Seine Vorliebe für das Kommunale hat sich bei Ingo Wolf wohl durch die praktische Erfahrung ergeben. Der 1955 in Braunschweig in einem liberal geprägten Elternhaus geborene und seit seinem zweiten Lebensjahr in Köln aufgewachsene Wolf studierte in Köln Rechtswissenschaft, machte 1980 sein erstes Staatsexamen, absolvierte sein Rechtsreferendariat von 1981 bis 1983 in Aachen. Das zweite Staatsexamen legte er 1983 ab. Von 1983 bis 1984 arbeitete er als Richter am Landgericht Aachen. Danach war er bis 1989 Geschäftsführender Assistent am Institut für Energierecht an der Kölner Universität. 1989 folgten die Promotion und die Zulassung als Anwalt. 1990 bis 1993 war er stellvertretender Stadtdirektor in Euskirchen und 1993 bis 1999 Oberkreisdirektor und Kreispolizeichef in Euskirchen.
    In die FDP trat Wolf 1988 ein. "Es gab keinen konkreten Anlass dafür", erinnert ei sich heute. "Mit dem Herzen war ich schon immer bei der FDP." Mit dem Parteieintritt signalisierte er wohl mehr seine Bereitschaft nach langer Sympathisantenschaft sich auch nach außen parteipolitisch zu engagieren. Der Jurist war in seiner Partei ein gefragter Mann, hielt sich aber auf seinen Posten als stellvertretender Stadtdirektor und dann als Oberkreisdirektor parteipolitisch zurück. Erst als 1999 seine Kandidatur als Landrat scheiterte, griff der Vater von drei Kindern zu, als ihm Partei-freunde die Kandidatur für den NRW-Landtag antrugen. Als 22. schaffte er den Sprung in das Landesparlament.
    Obwohl er über die Reserveliste gewählt wurde, pflegt der Liberale seinen Wahlkreis sorgfältig. "Ich habe ein Wahlkreisbüro, aber die Veranstaltungen finden zumeist vor Ort statt", sagt Wolf. Das hängt damit zusammen, dass er einen flächenmäßig mit 1 250 Quadratkilometern großen, aber mit 186 000 Bürgern bevölkerungsarmen Wahlkreis betreut. "Logischerweise sind meine Reiseaktivitäten dadurch besonders groß", meint er lachend und fügt hinzu: "Außerdem bin ich für die Bürger jederzeit über Handy zu erreichen."
    So gut sich die Arbeit für den FDP-Landtagsabgeordneten Wolf in Düsseldorf auch angelassen hat, sie wird nur eine kurze Episode in seiner beruflichen Karriere bleiben. Wegen seiner Fähigkeiten und sicher auch wegen seines Bekanntheitsgrades hat die NRW-FDP ihn als Bundestagskandidaten ausgeguckt. Auf dem Landesparteitag in Gütersloh kam er auf Platz neun der Landesliste und ist damit so gut wie sicher ab September Bundestagsabgeordneter im Berliner Bundestag. Der FDP-Mann der früher in seiner Freizeit Feldhockey-Bundesligaspieler bei Rot-Weiß in Köln war und heute Inlineskating macht und Fahrrad fährt, scheidet mit einem lachenden und einem weinenden Auge aus Düsseldorf: "Ich glaube, die FDP ist ein belebendes Element im Landtag." In jedem Fall will der FDP-Mann die Kontakte, die er in der Landespolitik geknüpft hat, weiter pflegen.
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN01418

  • Porträt der Woche: Michael Ezzo Solf (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 7 - 13.06.2002

    Der zweite Vornamen von Michael Solf lautet Ezzo. Nanu? Was bedeuten denn diese vier Buchstaben? Eine Eitelkeit der Eltern vielleicht? Der Vater des CDU-Abgeordneten vom Rhein-Sieg-Kreis war Biologe, die Mutter Germanistin, sie war es, die vor 56 Jahren auf Ezzo kam, den Namen des gleichnamigen Liedes eines mittelhochdeutschen Schriftstellers aus dem elften Jahrhundert.
    Der kleine Vorspann weist auf einen bildungsbürgerlichen Hintergrund des Abgeordneten, der Latein, Griechisch und Erdkunde für das Höhere Lehramt studiert hat und der bedauert, nicht sein geliebtes Latein am Albert-Einstein-Gymnasium in Sankt Augustin unterrichten zu können. Solf entstammt nicht nur bildungsbürgerlichem, sondern auch christlichem Hause. Er bezeichnet sich als einen wertkonservativen Humanisten. Jemand wie Solf ist natürlich kein Konsument von TV-Massenware. "Bilderbuch Deutschland" sonntags im Ersten - nur da schaut er regelmäßig zu. Er liebt die Literatur, die klassische und die klassische Moderne, Dichtung vor allem. Und er verehrt die Ewige Stadt. Rom sei für ihn die schönste Stadt der Welt, gefolgt von Lissabon. Als Lehrer, zuletzt Studiendirektor, hat er die Rom-Besuche seiner Latein-Leistungskurs-Schüler stets gründlich geplant. Im Landtags-Büro hängt ein Foto der Engelsburg.

    Neue Medien

    Solf erzählt temperamentvoll, spricht schnell. Solche Zeitgenossen erinnern oft an Kerzen, die an beiden Enden brennen. Solf wirkt jedoch weder verbraucht, noch früh gealtert. Das kann er sich auch nicht erlauben, weil er spät geheiratet und demzufolge als Mittfünfziger zusammen mit seiner jungen Frau noch Kinder im Alter von 13, elf und fünf Jahren großzuziehen hat.
    Die Familie macht bevorzugt Urlaub auf Bauernhöfen: in Bayern, Baden-Württemberg oder Norddeutschland. Natürlich übertrumpfen die Kindern den Vater, wenn es um Internet, Computer, E-Mails und dergleichen geht. Aber der Pater familias nutzt und schätzt selbst die modernen technischen Möglichkeiten. Er hebt seine Abgeordneten-Homepage hervor, preist die großartigen Möglichkeiten der weltweiten Vernetzung. Nur mahnt er auch, die neuen Medien sinnvoll zu nutzen. Der beurlaubte Schulmeister rüffelt: Viele Schüler fräßen Videospiele und bestimmten Computerschund in sich hinein. Zur Politik stieß Solf in den wilden Sechzigern. Von den Eltern, die stets Zentrum und später CDU gewählt haben, inspiriert, hatte er sich vorher dem Eintritt in die Junge Union und schließlich 1968 in die CDU bereits in der christlichen Jugend engagiert. Solf gehörte jahrelang zur aufmüpfigen und rührigen CDU-Jugend im Rhein-Sieg-Kreis. 1980 sagte er öffentlich, ein wahrer Christ könne den CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Strauß nicht wählen, weil der unbequeme Kritiker als Ratten und Schmeißfliegen tituliert hatte. Als junger Unions-Mann befürwortete er gegen die offizielle Bundespartei-Linie die Brandtsche Ostpolitik. Heute sitzt er gerne im Landtags-Migrationsausschuss, denn die Integration von Zuwanderern ist ihm ein wichtiges Anliegen. Solf tritt für islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen ein. Er nennt es ein Grundübel, dass das Fach Religion ein Nebendasein friste und dass viele junge Menschen religionsfern aufwüchsen. Solf hat Kreistags- und Stadtrats-Arbeit geleistet und 1995 erstmals vergebens für den Landtag kandidiert. 1999 rückte er dann nach, 2000 gewann er den für die Union schwierigen Wahlkreis direkt. Der Abgeordnete sagt, er sei weder ein rechter noch ein linker politischer Scharfmacher. Der bequemste Parteifreund ist er gewiss nicht. Er focht für eine nächtliche Kernruhezeit am Flughafen Köln/Bonn, er setzte sich gegen die Müllverbrennungsanlage in Niederkassel ein. In beiden Fällen war seine Partei mehrheitlich anderer Meinung.
    Zu den ruchbar gewordenen neuen Politikskandalen in Köln und anderswo meint er: Schlimmer als einzelne schwarze Schafe seien schleichend daherkommende Verstöße gegen die guten politischen Sitten, beispielsweise das "Kaufen" von Ländern im Bundesrat, oder der nahtlose Übergang von Spitzenbeamten und -Politikern in Positionen der Wirtschaft, mit der man schon zuvor kooperiert hatte. Die Jugend, so findet der Pädagoge und Politiker, sei auf intellektuelle und ethische Integrität bedacht. "Wir, die Politiker, müssen der Jugend saubere Strukturen schaffen." Mit schneidender Kritik fertigt SoIf ideologisierte Bildungspolitik vergangener Jahre ab: Er habe erfahren, wie sich vermeintliches bildungspolitisches Gold als Blech erwiesen habe.
    Was macht solch ein Hochmotivierter, solch ein Dauerbrenner, wenn Mußestunden winken? Er wandert gerne am "geliebten Niederrhein", dort, wo er einst (in Emmerich) als Referendar gelebt hat.
    Reinhold Michels

    ID: LIN02400

  • Porträt der Woche: Bernhard von Grünberg (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 6 - 16.05.2002

    Er pflegt viele internationale Kontakte - nach Osteuropa ebenso wie zu zahlreichen so genannten Entwicklungsländern und zu UNO-Organisationen: Bernhard von Grünberg. Der SPD-Landtagsabgeordnete aus Bonn sieht seine Aufgabe in der Politik, "Praktisches zu tun", überall dort mitzuhelfen, wo Menschen in Not sind. Als "Flüchtlingskind" 1945 in Halle/Saale geboren - sein Vater war Rektor der Universität Königsberg, prägen die Erlebnisse der ersten Nachkriegsjahre bis heute den Juristen.
    Nach dem Studium der Betriebswissenschaft und Jura an den Universitäten Bochum, Genf und Bonn widmete sich der Anwalt vor allem dem damals neu eingeführten Mietrecht, hielt auch Sprechstunden für Ratsuchende ab. Sie sind inzwischen zu einer unentbehrlichen Einrichtung im Rathaus geworden. Der Beweis: Wöchentlich 30 bis 40 Mitbürger nehmen sie in Anspruch, heute insbesondere Sozialhilfeempfänger und Menschen ausländischer Herkunft. Seit 1984 ist Bernhard von Grünberg auch Geschäftsführer des Mietervereins für Bonn-Rhein-Sieg-Ahr, der inzwischen 22 000 Mitglieder zählt.
    Der SPD schloss sich der Jurist 1971 an und betätigte sich kommunalpolitisch zunächst als sachkundiger Bürger. Dem Rat der Stadt Bonn gehörte der Sozialdemokrat von 1975 bis 1999 an, wo er als Sprecher seiner Fraktion im Ausschuss für Sozial- und Wohnungswesen auf Grund seiner Erfahrungen Akzente setzte. Zwischen 1984/99 war er auch Mitglied der Landschaftsversammlung Rheinland. Nach zwei vergeblichen Anläufen holte er bei der letzten Landtagswahl 2000 den Wahlkreis Bonn ll erstmals für die SPD.
    Die Fraktion berief den Bonner Abgeordneten in den Innen-, den Rechtsausschuss sowie in den Ausschuss für Europa- und Eine-Welt-Politik. Außerdem ist er Mitglied der Enquetekommission "Zukunft der Städte". Im Innenausschuss richtet sich das Augenmerk des Parlamentariers auf das Ausländerrecht, auf eine bessere Rechtsstellung und eine Integration der Zuwanderer. In diesem Zusammenhang engagiert er sich auch als stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Stiftung der UNO-Flüchtlingshilfe für die Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen, wie jetzt in Afghanistan. Im Rechtsausschuss widmet sich Bernhard von Grünberg insbesondere dem Strafvollzug, besucht häufig die Gefängnisse und kümmert sich um Abschiebehäftlinge.
    Auch über den Europa- und Eine-Welt-Ausschuss pflegt der Abgeordnete zahlreiche internationale Kontakte und als stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaft engagiert er sich für die Osterweiterung der EU. Zu den internationalen Aktivitäten des Bonners zählt auch die Pflege der Städtepartnerschaft mit Kaliningrad. Schließlich gehört er dem Fachbereich Süd der Heinrich-Böll-Stiftung an.
    Bernhard von Grünberg ist gern Abgeordneter, "weil man als Politiker ein sehr selbstbestimmtes Leben hat". Und auch sein persönlicher Werdegang gebietet es ihm, sich nicht in vermeintliche Hierarchien einzuordnen. So gehört er jener Gruppe junger Abgeordneter in der SPD-Fraktion an, die im Mai letzten Jahres gegen deren Vorstand aufbegehrten und eine Gesamtstrategie vermissten.
    Überhaupt müsse nach seiner Auffassung die Arbeit im Parlament wie in den Ausschüssen effektiver gestaltet werden. Und auch die "Streitkultur" im Düsseldorfer Landtag sollte "mehr sachbezogen und weniger polemisch" sein. Das würde die Stellung des Parlamentes gegenüber der sehr starken Position der Regierung aufwerten.
    Bei einem solchen großen Aktionsradius wird die Freizeit des Kunstliebhabers und -sammlers klein geschrieben. Und die wenigen Stunden genießt er im Kreise von Freunden.

    ID: LIN02435

  • Porträt der Woche: Cornelia Tausch (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 5 - 03.05.2002

    Wuppertal, die Stadt mag für viele im Lande nicht zu den Schönen und Aufregenden zählen. Cornelia Tausch jedoch, die aus Paderborn stammt und eine zugezogene Wuppertalerin ist, empfindet ihre Stadt, ihren Lebensmittelpunkt, als einen - so wörtlich - spannenden Ort. Die junge Frau Tausch würdigt die Kulturszene Wuppertals, die reiche Historie, was Industrie und Arbeitnehmerbewegung in der Kommune angeht. Die SPD-Abgeordnete war als studierte und diplomierte Paderborner Volkswirtin wissenschaftliche Assistentin in Wuppertal. Die Eltern leben noch in der Bischofsstadt.
    Als Cornelia Tausch wenige Tage vor Heiligabend 1999 auf dem Weg zu Vater und Mutter war, klingelte ihr Handy: "Hier ist Johannes Rau." Ein Anruf also vom Bundespräsidenten, dem immer noch prominentesten Wuppertaler. Da Cornelia Tausch im Mai 2000 in Raus Wahlkreis (der Zuschnitt war leicht verändert worden) kandidieren würde, lud das Staatsoberhaupt die überraschte Parteifreundin zu sich nach Hause ein. Rau schöpfte aus langer Erfahrung und profunder Wuppertal-Kenntnis, und Frau Tausch sog alles auf wie ein Schwamm.
    Flexibilität
    Nun sitzt die Sozialdemokratin, die nie mit Rau in einem Wuppertaler Gasthaus Skat gespielt hat, ihn auch eher beim Doppelkopf hätte herausfordern könnte, frisch und frohgemut im Landesparlament und freut sich darüber, dass sie den Sprung von der Wissenschaft in die aktive Politik gewagt hat. Ein Leben lang muss das nicht so bleiben. Flexibilität gehört allem Anschein nach zu ihren wichtigen Persönlichkeits-Merkmalen. Bezeichnend dafür ist der Studienaufenthalt an einer US-Uni in Minnesota vor elf Jahren sowie die ausgeprägte Reiselust, von der sie gepackt ist. Die 1966 geborene Frau ist ein hellwaches Kind ihrer Zeit. Sie benutzt ganz selbstverständlich diverse High-Tech-Hilfsmittel für Büroorganisation oder beruflich-private Terminplanung. Sie ist begierig, neue Länder und Menschen kennen zu lernen. Außerdem hält sie sich für eine Leseratte, wobei sie hierzu das Buch jedem Notebook-Text vorzieht. Krimis von Donna Leon oder Henning Mankell sind ihr besonders lieb. Cornelia Tausch sagt, sie sei eine eher faule Schülerin am katholischen Mädchengymnasium zu Paderborn gewesen. Letztlich habe aber immer alles gut geklappt. So spricht jemand, der offenkundig mit geistigen Gaben gut versorgt ist. Den Eltern war ehrenamtliches Engagement in der Pfarrgemeinde, der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung oder im Betriebsrat selbstverständlich. Als sich Tochter Cornelia in der studentischen Hochschularbeit betätigte, Asta-Vorsitzende in Paderborn wurde und später, 1988, in die SPD eintrat, war zu Hause niemand verwundert. Bei Tauschs tat man traditionell mehr, als allein den Pflichten des Tages zu gehorchen. Cornelia Tausch hat einen drei Jahre jüngeren Bruder, der Ingenieur ist. Ein Cousin von ihr macht bei der CDU mit, sie spricht von "der falschen Partei".
    Bevor sie sich für die SPD entschieden habe, seien auch die GRÜNEN, niemals jedoch FDP oder CDU in Frage gekommen. Frau Tausch bezeichnet sich zwar als Linke, was politische Ziele wie soziale Gerechtigkeit und Bildungschancen für alle betrifft. Unter links versteht sie nicht den Gesinnungsbeton vergangener Jahrzehnte. Sie umreißt ihr Verständnis einer ordentlichen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik so: Neues ermöglichen, Selbständigkeit stärken, die Menschen fordern, aber auch sozial absichern. Flexibilität sei wichtig, aber Flexibilität im Arbeitsleben ohne soziale Sicherheit verhindere eine vernünftige Entwicklung.
    So sehr sie die USA faszinieren, so wenig ist ihr je der Gedanken an einen Daueraufenthalt in der Neuen Welt gekommen. Sie ist zu sehr soziale Demokratin europäischen Schlages, als dass sie die sozialpolitisch lockeren Sitten auf der anderen Seite des Atlantiks gutheißen könnte. Als Volkswirtin, die einst mit dem Gedanken gespielt hat, Biologin zu werden, befürwortete sie die neue Währung Euro: "Ein spannendes Projekt". Der Euro mache die einzelnen Volkswirtschaften wenig angreifbar, zu schweigen von den Umtausch-Kosteneinsparungen.
    Bei der Frage nach Freizeitbetätigungen pflegen Vielbeschäftigte ihre Antwort mit "Wenn es die Zeit erlaubt" einzuleiten. Cornelia Tausch macht da keine Ausnahme. Also: Wenn es ihre Zeit gestattet, fährt sie gerne auf Inline-Skatern umher, bei Winterwetter auch in Hallen.
    Reinhold Michels

    ID: LIN02520

  • Porträt der Woche: Angelika Gemkow (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 23.04.2002

    "Die ständig steigende Zahl älterer Menschen muss eine stärkere politische Debatte nach sich ziehen", fordert Angelika Gemkow. Für die CDU-Sozialpolitikerin ist eine nachhaltige Auseinandersetzung mit der Tatsache unabdingbar, dass es in unserer Gesellschaft immer mehr Senioren gibt. Bald wird die christdemokratische Landtagsabgeordnete ihrem Ziel einen Schritt näher sein. Der Düsseldorfer Landtag hat nämlich die Einrichtung einer Enquetekommission zur "Situation und zur Zukunft der Pflege in NRW" beschlossen. Den Vorsitz wird Angelika Gemkow übernehmen, die dem Landesparlament seit 1995 angehört. "In der Enquetekommission werden wir uns mit allen Fragen einer älter werdenden Gesellschaft beschäftigen", ist die CDU-Politikerin überzeugt. Das Gremium soll auch Lösungsmöglichkeiten formulieren und Visionen entwickeln, wie die Probleme gelöst werden können.

    Eine Exotin

    Angelika Gemkow, die von sich selber sagt, sie sei "Praktikerfrau", weiß schon jetzt, wo man ansetzen sollte: "Wir müssen bereits den heute 40-Jährigen sagen, dass sie Hobbys pflegen, Kontakt zu Freunden halten, sich in Vereinen organisieren, sich körperlich fit halten und soziale Netze knüpfen müssen, damit sie im Alter nicht krank und einsam sind." All das gehöre zur Eigenvorsorge, die jeder selber leisten könne. Die 52-jährige CDU-Politikerin, die mit einem Diplom-Finanzwirt verheiratet ist und zwei Kinder hat, bezeichnet sich selber als Familienmenschen und ist überzeugt, dass sie ohne die Unterstützung ihres Mannes und der Familie - also eines Geflechts von Helfenden - ihre politische Karriere nicht hätte machen können.
    Die Bielefelderin hat sich schon sehr früh politisch engagiert. Obwohl ihre Eltern politisch nicht aktiv waren, interessierte sie sich für eine Mitarbeit in der Jungen Union (JU). 1966 trat sie in die JU ein, ein Jahr später war sie CDU-Mitglied. "Eigentlich kann man erst mit 18 Jahren Mitglied werden, aber weil ich gleich in den Kreisverband der JU gewählt worden war, hat man bei mir ein Auge zugedrückt", erinnert sich Angelika Gemkow lachend. Rasch folgten weitere politische Ämter. "Ich hatte bei meiner politischen Arbeit immer wieder das große Glück, dass es interessierte Menschen gab, die mich inhaltlich mitgenommen haben", erinnert sich Gemkow dankbar. Gefördert wurde sie wohl auch deshalb, weil es so selten ist, dass sich eine junge Frau für die politische Arbeit einsetzt. "Irgendwie war ich da immer eine Exotin", sagt sie. Auch das hat ihr geholfen. Seit 1979 ist sie Mitglied im Rat der Stadt Bielefeld und dort stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende. Bis Oktober 1995 war sie Mitglied der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe. Sie ist unter anderem Bezirksvorsitzende der CDA Ostwestfalen-Lippe und Mitglied des CDA Landesvorstandes. 1993 hat sich die gelernte Verwaltungsangestellte für ein Landtagsmandat beworben und sich mit einer Zweidrittelmehrheit gegen drei männliche Mitbewerber durchgesetzt. Seit 1995 ist sie im Landtag. "Wenn die Partei es will und ich gesund bleibe, hätte ich durchaus Lust, diese Arbeit auch in der nächsten Legislaturperiode fortzusetzen", sagt die CDU-Abgeordnete und fügt fröhlich und nicht ganz ernst hinzu: "Jetzt, wo die Kinder groß sind, lebe ich doch richtig auf."
    Als Sozialpolitikerin, die sich schon in der Kommune bewährt hatte, kam Angelika Gemkow ohne Schwierigkeit in die von ihr gewünschten Ausschüsse. Sie ist ordentliches Mitglied im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge und im Ausschuss für Frauenpolitik. Als besonders fruchtbar erweist sich ihre Doppelfunktion als Ratsmitglied und als Landtagsabgeordnete. "Das ergänzt sich prächtig. Erfahrungen aus der Kommune kann ich im Landtag einbringen. Vor Ort höre ich, was die Leute bewegt und was sie wirklich brauchen."

    Gutes Arbeitsklima

    An der Ausschussarbeit gefällt ihr die oft fraktionsübergreifene Zusammenarbeit der Fachpolitiker. "Es herrscht ein gutes Arbeitsklima. Man streitet sich, aber man versteht sich auch untereinander." Ein wenig traurig macht es sie, dass ihre Arbeitsfelder - also der soziale und gesellschaftspolitische Bereich - so wenig Lobby haben. "Es geht immer nur um Wirtschaft. Es geht um Geld und vielfach einfach nur um Macht. Dadurch wird der einzelne Mensch oft vergessen. Da muss dringend etwas verändert werden", ist die CDU-Politikerin überzeugt. Die politische Auseinandersetzung muss dann im Plenum des Landtags ausgetragen werden. Dort findet die CDU-Frau auch deutliche Worte an die Adresse des politischen Gegners. So ging Angelika Gemkow in der letzten Haushaltsdebatte am 13. Dezember 2001 heftig mit der SPD ins Gericht, als sie der Regierung ins Stammbaum schrieb: "Die Landesregierung ist fast vollständig aus der Fürsorge für ältere pflegebedürftige Menschen - das sind meistens Frauen - ausgestiegen. Sie kürzt die Mittel für dringend benötigte Pflegeplätze. Sie geben kein Geld mehr für die Modernisierung alter, sanierungsbedürftiger Pflegeplätze aus. Sie streichen auch die Mittel für Hauswirtschaftsdienste für Senioren. Vieles an sozialer und ehrenamtlicher Arbeit bleibt künftig auf der Strecke."
    Zum Entspannen von ihren politischen Aktivitäten guckt Angelika Gemkow, die früher selber gespielt hat, begeistert Tennis. Aber sie radelt auch gern mit ihrem Mann im Urlaub durch die Landschaft. Besonders gut gefällt ihr da die pommersche Insel Usedom. Kochen und Gartenarbeit sind für die CDU-Frau mehr Pflichtübungen. Dagegen schätzt Angelika Gemkow ein gutes Buch und das gesellige Zusammensein mit Freunden.
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN02623

  • Porträt der Woche: Reiner Priggen (GRÜNE).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 3 - 28.03.2002

    Die ideologische Ausrichtung der GRÜNEN bewog ihn, sich dieser Partei anzuschließen. Und als Diplomingenieur war es seitdem das besondere Anliegen von Reiner Priggen, sein berufliches Fachwissen mit der Umwelttechnologie zu verknüpfen. Nach der letzten Landtagswahl im Mai 2000 ins Landesparlament gewählt. sieht der heute 49-Jährige gerade hier die Chance, in diesem Bereich viel zu gestalten und auch umzusetzen. So berief ihn die Fraktion denn auch in die Ausschüsse Ernährung und Landwirtschaft sowie Wirtschaft und Technologie - Parlamentsgremien, wo Weichen für die Energiepolitik gestellt werden. Denn besonders in der Landwirtschaft bieten sich nach seiner Einschätzung viele Möglichkeiten für die Nutzung regenerativer Energien und auch zusätzliche Einnahmequellen für die Landwirte. Als Beispiele nennt Reiner Priggen Windkraft und Bio-Gas. Beide Energiequellen müssten stärker ausgeschöpft werden.
    Der Aachener sieht für die rot-grünen Koalitionen in Berlin wie Düsseldorf "optimale Chancen", den regenerativen Energien in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen. "Es geht mir alles nicht schnell genug, aber wenn man vor großen Aufgaben steht, ist es immer so", meint der stellvertretende Vorsitzende der Landtagsfraktion. Immerhin: Nach Schätzungen der Landesinitiative "Zukunftsenergien NRW" sind inzwischen beispielsweise über 1 200 Firmen mit etwa 10 000 Beschäftigten im einwohnerstärksten Bundesland mit der Konstruktion und den Bau regenerativer Energietechnologien beschäftigt. Sie erzielten im letzten Jahr einen Umsatz von rund 1,7 Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2050 sollte mindestens die Hälfte der gesamten Energieversorgung aus regenerativen Energien stammen, steckt der Landtagsabgeordnete das Ziel.
    Der im Emsland geborene Reiner Priggen studierte Maschinenwesen an der Technischen Hochschule Aachen und war nach seinem Abschluss als Diplomingenieur längere Zeit in einem mittelständischen Unternehmen des Spezialmaschinenbaus tätig. 1992 wechselte er dann in die Politik, wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter des damaligen Landtagsabgeordneten Gerhard Mai. Kommunalpolitisch engagierte er sich bereits ein Jahr nach seiner Mitgliedschaft bei den GRÜNEN als Mitglied des Kreistages Lippe. Aus familiären Gründen, seine Ehefrau ist die frühere Landtagsabgeordnete Gisela Nacken, zog es auch den Ehemann in die Grenzregion, wo er zunächst Sprecher des Aachener Kreisverbandes war.
    Sechs Jahre, bis zu seiner Wahl in den Landtag anno 2000, führte Reiner Priggen den Landesverband der GRÜNEN - eine "Rekordzeit" für diese Partei. Um so mehr, als heftige Flügelkämpfe gerade in diesen Jahren ausgetragen wurden und sogar eine Spaltung drohte. Es bedurfte viel Geschick und Überzeugungsarbeit des pragmatischen so genannten " Realos", die Partei in ihrer damaligen ernsthaften Krise zusammenzuhalten. Heute sei er mit ihrer Entwicklung sehr zufrieden, "weil wir in der Regierungsverantwortung in diesem bevölkerungsstärksten Land wie auch im Bund viel dazugelernt haben", bilanziert der Aachener. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende nennt sich ein "Fan" von Außenminister Joschka Fischer und hält selbst als früherer Kriegsdienstverweigerer dessen Afghanistan-Position für richtig. Trotz ihres schlechten Abschneidens bei den zurückliegenden Wahlen in den Bundesländern sieht Reiner Priggen die Perspektiven für die GRÜNEN positiv, " weil sie nach wie vor immer neue Ideen und vernünftige Antworten für die anstehenden Probleme haben". Nach seiner Einschätzung werde sich auch in einer von den Medien stark geprägten politischen Landschaft die "Klamaukpolitik" der FDP auf Dauer nicht durchsetzen. Als sein Hobby nennt der Landtagsabgeordnete die Familie. Das sind seine Ehefrau sowie die zehnjährige Tochter Mia und der achtjährige Jakob. Für ihn ist es eine "schöne Sache", mit seinem Sohn, der in der E-Jugend des VfB 08 Aachen spielt auf dem Fußballplatz zu gehen oder die Tochter beim Reiten zu beobachten. Da rückt die Politik, die ansonsten den Alltag prägt, in den Hintergrund.
    Jochen Jurettko

    ID: LIN02672

  • Porträt der Woche: Gerda Kieninger (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 2 - 05.03.2002

    Gerda Kieninger zählt zur Gattung der wackren Töchter praktischer Lebensführung. Den Menschenschlag findet man häufig im Ruhrgebiet. Von dort stammt die SPD-Abgeordnete, die in Castrop-Rauxel geboren wurde und heute ihren Lebensmittelpunkt und Wahlkreis in Dortmund hat. Wenn das Revier geschmäht wird, kann Frau Kieninger fuchsteufelswild werden. Dann setzt sie zum Lobpreis auf die Heimat an: "Hätten wir nach dem Krieg das Ruhrgebiet nicht gehabt, wäre die Republik nicht da, wo sie heute ist." Es folgt ein Hinweis auf Dortmund, wo schon viel Strukturwandel geschafft worden sei. Das Wegbrechen von Stahlindustrie und Bergbau sei tragisch gewesen, findet Gerda Kieninger und setzt mit Trotz und Stolz in der Stimme fort: "Aber Dortmund hat sich nicht in die Leidensrolle begeben, sondern angepackt."
    Anpacken - das ist das Stichwort und Verb, das einem beim Kennenlernen der gestandenen Frau einfällt. Technische Zeichnerin wäre sie gerne geworden, aber dazu wäre die mittlere Reife, also ein Realschulabschluss, günstig gewesen. Gerda Kieninger hat jedoch die Volksschule besucht, von der ersten bis zur achten Klasse. So war das früher oft bei den Töchtern und Söhnen einfacher Leute. Das Schulsystem war nicht durchlässig. Wer nach der 4. beziehungsweise 5. Klasse nicht zur Real- oder Oberschule wechselte, hatte den Volksschulweg zu Ende zu gehen.
    Die Erfahrung hat Gerda Kieninger politisiert. 1979 trat sie in die SPD ein, zum einen, weil sie stets den "Staatsmann Willy Brandt" verehrt hat, zum anderen, weil sie die Debatte über die neue Schulform Gesamtschule elektrisierte. Den damaligen bildungspolitischen Kampf hat sie mitgefochten, natürlich auf der Seite der SPD-Bildungsreformer, für die die Gesamtschule mit ihrer größeren Durchlässigkeit der Schullaufbahnen die Idealform einer Schule bedeutete.
    Gerda Kieninger, das Kind des Reviers, bekennt, bisher immer SPD gewählt zu haben. "Was", so fragt sie, "will man auch sonst als Spross eines sozialdemokratischen Eltern- und Großelternhauses machen?" Kieningers Tochter und Sohn sind beide in der SPD, die Mutter sagt, sie hätte sich nicht glücklich gefühlt, wenn sich die Kinder für CDU oder GRÜNE entschieden hätten. Die drei Buchstaben FDP nimmt sie erst gar nicht in den Mund. Als Katastrophe hätte sie es empfunden, wären die erwachsenen Kinder politisch nach Rechtsaußen gerutscht. Wer Gerda Kieninger begegnet, trifft auf einen weiblichen Traditionssozi, auf eine engagierte Frauenpolitikerin, die mit ihren emanzipatorischen Anliegen bei den Männern des Reviers nicht auf übermäßig viel Gegenliebe stößt. Die Kumpel oder deren Nachfahren, die malochen, samstags "auf Schalke" oder zum BVB gehen oder Tauben fliegen lassen, sehen es nämlich nach wie vor gerne, wenn Mutti zu Hause ist und in Küche und Keller auf Ordnung hält. Frau Kieninger ist jedoch alles andere als eine zornige Emanze. Sie möchte nicht, dass Frauen das tun sollen, was Männer machen. Sie will keinen Rollentausch, sondern nur volle Teilhabe des weiblichen Teils der Bevölkerung am gesellschaftlichen Leben sowie gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Bei einer Ausschussreise nach Schweden war Frau Kieninger angetan von der Frauenerwerbsquote von 96 Prozent im Nordland. Daran sollte man sich in Deutschland orientieren, meint die Sozialdemokratin von altem Schrot und Korn.
    Kieninger kennt nicht nur politische Basisarbeit, sondern auch geschäftliche. Denn einst führte sie eine Trinkhalle. Man kann sich gut vorstellen, wie sie Zigaretten, Zeitungen und andere "Grundnahrungsmittel" über die Budentheke gereicht hat, denn sie wirkt handfest und erdnah, das Gegenstück zum Typus des rot-grünen Alt-68ers, der, von des Gedankens Blässe gezeichnet, dem Hinscheiden früherer politischer Ideale nachweint. Frau Kieninger verweist auf ihren Vornamen, der germanischen Ursprungs sei und "die Kämpferin" bedeute. Jammern über verpasste Bildungserlebnisse ist ihre Sache nicht. Sie hat ihr Leben genommen, wie es war und für sich das Beste daraus zu machen versucht. Es fällt auf, dass sie viel raucht. Dazu bemerkt sie ohne jedes Schuldgefühl gegenüber dem eigenen Körper: "Keiner ist ohne Laster, und die Summe aller Laster bleibt gleich."
    Reinhold Michels

    ID: LIN02729

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Die Fraktionen im Landtag NRW