03.12.2021
- 2021 wird das Jubiläum "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" gefeiert. Anlässlich dieses Jubiläums eröffnete der Präsident des Landtags, André Kuper, die Wanderausstellung "Jekkes in Israel" im Landesparlament.
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Ausstellung „Jekkes in Israel“
Off-Stimme:
Sie flohen in den 1930er-Jahren aus Nazi-Deutschland und fanden eine neue Heimat: „Jekkes“ – so nennt man in Israel liebevoll die deutschen Einwanderinnen und Einwanderer aus dieser Zeit. Sie brachten ihr Wissen und ihre Erfahrung mit und bewahrten ihre deutsche Sprache, ihre Lieder und ihre Kultur.
Die beiden israelischen Künstler Oranit Ben Zimra und Moshe Beker haben sich auf Spurensuche begeben und die „Jekkes“ in ihrem Lebensumfeld besucht.
Der Landtag zeigt nun ihre Wanderausstellung. Mit Fotografien und Videosequenzen dokumentieren die Künstler die Lebensgeschichten der Immigranten. Auf diese Weise bewahren sie das einzigartige Gedächtnis dieser Generation.
Oranit Ben Zimra, Fotografin:
Shalom! Und danke, dass sie gekommen sind.
Was für ein Tag!
Heute sehe ich mit ihnen auf diese Bilder - das Ergebnis einer langen Reise von eineinhalb Jahren. Seit ich das erste Mal eine Kamera in der Hand gehalten habe, wusste ich, damit will ich mich und meine Sicht auf die Welt ausdrücken. Ich habe an der Kunstakademie in Jerusalem Fotografie studiert. Seither habe ich Fotografie gelehrt, Einzelausstellungen gemacht und an Gruppenausstellungen teilgenommen. Und ich kann ihnen sagen, dass das Genre der Porträtaufnahmen eine große Herausforderung für mich ist. Als Fotograf ist man eigentlich innerhalb der Situation, aber auch gleichzeitg außerhalb der Situation. Man wählt aus der großen weiten Wirklichkeit den Rahmen, den Ausschnitt, der ein Gefühl vermittelt, eine Meinung, einen Gedanken. Als Fotograf fühlt man den richtigen Moment auf der Haut.
Dieses Projekt war eine besondere Herausforderung. Als wir von den Veranstaltern der "1700 Jahre" grünes Licht bekamen für die Spurensuche nach den Jekkes in Israel, war das für meinen Partner Moshe Beker und mich ein Glückstreffer. Und zwar deshalb, weil solche Projekte nur einmal zustandekommen. Ich hatte das Glück, diesen Menschen zu begegnen, die in der Schicksalszeit vor fast 100 Jahren geboren sind. Ich war in ihren Häusern, Zimmern, Gärten. Ich sah, wie die Erinnerung an die Kindheit aus der ersten Heimat mit der heutigen Realität in Israel zusammenlebt. Unsere gemeinsame Reise war wie Zwiebelschälen - eine Schicht, und noch eine Schicht und noch eine Schicht tiefer in die Seele, in die Tränen, in die Sehnsucht. In die Erinnerung, unvergessen aus der Kindheit hier in Deutschland. Ein Teil dieser Helden sieht direkt in die Linse. Andere sind zurückhaltender und scheuer. Alle haben sich über diese einzigartige Gelegenheit gefreut, ihre Geschichte weiterzugeben.
Heute sind auch die Menschen hier, durch die dieses Projekt zustandegekommen ist. Sie haben die Wichtigkeit dieses Moments erfasst. Sie leben zwar ganz im heutigen Deutschland, aber sie haben auch die Bedeutung der Vergangenheit im Sinn und wollen deshalb den Kindern der ersten Jekkes einen Platz in unserem Bewusstsein hier und jetzt geben. Mein Dank geht an den Präsidenten des Landtags Nordrhein-Westfalen, André Kuper, und an Dr. Matthias Schreiber, den Vorsitzenden des Vereins "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland". Ich möchte ihnen im Namen der Besucher dieses Ausstellung danken. Junge und ältere Besucher, die daraus etwas über Tatkraft und Aufbruch lernen können und damit aus einem Kapitel aus unserer gemeinsamen Gesschichte als Israelis und Deutsche.
Toda Rabbah!
Off-Stimme:
Der Präsident des Landtags, André Kuper, eröffnete die Ausstellung Anfang Dezember und konnte auch die beiden Künstler begrüßen. Die Ausstellung wurde im Rahmen des Jubiläums „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ im Parlament gezeigt. Präsident Kuper sagte:
André Kuper, Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen:
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mich hat die Ausstellung „Jekkes in Israel“ tief bewegt. Moshe Beker und Oranit Ben Zimra ist etwas Besonderes gelungen:Sie haben die Kinder und Enkelkinder deutsch-jpüdischer Auswanderer porträtiert. Ihre Eltern bzw. Großeltern sind in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Diktatur aus Deutschland in das Gebiet des heutigen Israel ausgewandert. Auch aus Westfalen und dem Rheinland. Es war eine Auswanderung wider Willen.
Sie war der Not geschuldet, der Angst vor Repression durch die Nationalsozialisten. Und sie verdankt sich der politischen Weitsicht dieser Menschen.
Die Ausstellung zeigt es bis in die Enkelgeneration: Die Auswandernden verkörperten die Kultur ihres Heimatlandes Deutschland. Und sie standen nun vor der Aufgabe, sich einzufinden in die Kultur und das Leben in Israel.
Viele empfanden eine innere Zerissenheit. Diese Auswanderer erhielten den Namen „Jekkes“. Notgedrungen siedelten sie in ihrer neuen Heimat und vergaßen doch ihre alte dabei nicht.
Es ist bewegend, die Lieder zu hören, die die Kinder- und Enkelgeneration für diese Ausstellung noch einmal gesungen haben: Deutsche Kinderlieder, die uns eine Vorstellung von dem geben mögen, was der Verlust der Heimat für sie bedeutet hat.
Aus historischer Sicht ist festzuhalten, dass die „Jekkes“ durch ihre mutige, schwere und weitsichtige Entscheidung, das nationalsozialistische Deutschland früh zu verlassen, ihnen das Überleben gesichetr hat.
Die Ausstellung wurde im Rahmen des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ als Wanderausstellung konzipiert. Sie hat einen festen Platz in unserer Gesellschaft verdient und kann möglicherweise bald in Tel Aviv im dortigen „Jekkes-Museum“ gezeigt werden.
Ich danke allen Mitwirkenden und Beteiligten für ihre wichtige Arbeit.
Herzlichen Dank!